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Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Folge 3 - Die Rolle des VGHs in der Corona-Pandemie

Dirk Schönstädt, der Präsident des hessischen Verwaltungsgerichtshofs, stellt die Rolle des VGHs während der Corona-Pandemie vor und erläutert interessante Urteile bzgl. der Corona-Verordnungen.

Adina Murrer
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Podcast "Zeit für Justitia - der Justiztalk aus Hessen". Mein Name ist Adina Murrer und ich wünsche uns eine spannende Sendung. Ich begrüße alle, die heute wieder eingeschaltet haben zu unserer bereits dritten Folge unseres Podcasts. Heute haben wir den Präsidenten des Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Dirk Schönstädt zu Gast. Herr Schönstatt und ich wollen heute über die Rolle des VGH bezüglich der Corona Verordnungen sprechen. Herr Schönstädt, können Sie einmal die Tätigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit der Corona Pandemie darstellen?

Dirk Schönstädt
Gerne, Frau Murrer. Es ist tatsächlich so, dass wir auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes eine ganze Reihe von Verordnungen haben, die tiefgreifend in den Grundrechtskreis der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Das führt dazu, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Hauptanlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger ist, denn das ist das besondere an einem Rechtsstaat, dass es hier tatsächlich auch Rechtsschutz gibt gegen staatliche Akte. Auch in Staaten, die keine Rechtsstaaten sind, gibt es häufig so etwas wie eine Strafjustiz oder eine Zivil Justiz.

Aber dass es Rechtsschutz selbst gegen staatliche Akte, selbst gegen Verordnungen von Ministerien gibt, das ist eine Besonderheit, die uns auszeichnet.

Adina Murrer
Sie haben eben schon betont, dass die Verwaltungsgerichte in Zeiten der Corona Pandemie und der entsprechenden Rechtsverordnungen eine wichtige Rolle spielen. Können Sie uns einen Einblick geben, wie die Situation aktuell aussieht? Sprich wie viele anhängige Verfahren gibt es denn derzeit?

Dirk Schönstädt
Momentan sieht es bei uns so aus, dass wir direkt gegen Corona-Verordnung ungefähr 70 Verfahren haben, die sich in der ganzen Bandbreite bewegen, die einerseits sich dagegen richten, dass Gottesdienstbesuche nicht möglich sind, die sich dagegen richten, dass es eine Maskenpflicht gibt. Das geht in alle Bereiche des bürgerlichen Lebens hinein, bedeutet insbesondere auch, dass wir es mit Verfahren zu tun haben, in denen Grundrechte umfassend zu überprüfen sind.

Adina Murrer
Was bedeutet die Corona Pandemie jetzt eigentlich für die Ausübung der richterlichen Tätigkeit? Werden aktuell nur Corona-bedingte Verfahren behandelt oder auch noch Fälle ohne Corona-Bezug?

Dirk Schönstädt
Die Corona Verfahren sind jetzt zu den anderen Verfahren hinzugekommen, mit denen wir zu tun haben, aber sie führen nicht zum Stillstand der Rechtspflege in den anderen Bereichen. Das heißt, all die Verfahren, die hier beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof, wie auch bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz anhängig sind, werden natürlich weiter in gleicher Art und Weise behandelt. Da geht es insbesondere um technische Großvorhaben, um Planfeststellung, um Normen, Kontrollen oder auch beamtenrechtliche Streitigkeiten. Das hat nach wie vor hier seinen Platz.

Und ja, dadurch, dass wir jetzt in Zeiten der Pandemie den Sitzungsbetrieb zunächst zurückgefahren haben, ist da, was die Abarbeitung der Verfahren anbelangt, ist da kein Stillstand eingetreten. Aber sie sind nicht in dem Umfang abgearbeitet worden, wie es bei normalem Sitzungsbetrieb passiert wäre. Aber auch da die gute Nachricht, wir fahren Sitzungsbetrieb hoch, das heißt, nach und nach wird auch hier wieder Normalität eintreten und es werden dann natürlich auch die Verfahren so abgearbeitet wie zuvor.

Adina Murrer
Sie haben eben erwähnt, dass sie den Sitzungsbetrieb wieder nach und nach hochfahren. Wie hat sich ansonsten die Corona Krise auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Dirk Schönstädt
Für uns gelten die gleichen Regelungen wie für die Bürger und Bürgerinnen auch. Das heißt Abstand halten, das heißt, na klar, wenn wir einkaufen, Maskenpflicht und insbesondere haben sich die Arbeitsabläufe geändert. Wir versuchen also auch hier, das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Wir haben jetzt den Sitzungsbetrieb wieder hochgefahren. Ab dem 11. Mai finden jetzt verstärkt wieder Verhandlungen statt, aber unter großen Sicherheitsvorkehrungen: 1,50m Abstand, darüber hinaus Plexiglasscheiben, um das Infektionsrisiko für alle Beteiligten, also die Richterinnen und Richter, die Anwältinnen und Anwälte und natürlich auch die Beteiligten des Prozesses, so gering wie möglich zu halten. Ansonsten sitzen wir da in einem Boot mit der gesamten Bevölkerung. Auch wir haben diese Einschränkungen hinzunehmen. Aber nach dem Ergebnis, was wir bisher haben, dass im Großen und Ganzen die Funktionsfähigkeit sowohl des staatlichen wie nichtstaatlichen Lebens weitgehend erhalten geblieben ist und gleichzeitig ein Rückgang der Neuinfektionen zu verzeichnen ist, denke ich, können wir mit dem Ergebnis ganz zufrieden sein.

Adina Murrer
Der VGH hat erst vor kurzem die Maskenpflicht in der Corona Krise bestätigt und damit einen Eilantrag eines Bürgers abgewiesen. Können Sie den Zuhörern und mir einmal diesen Sachverhalt erklären?

Dirk Schönstädt
Aber gerne. Es ist vom Grundsatz her so, dass der Staat in einer Rechtfertigungspflicht ist, wenn er Grundrechte des Bürgers eingreift. Was ich bislang noch nicht erwähnt habe, ist natürlich auch die Berufsfreiheit, die eine Rolle spielt. Dann geht die Prüfung eigentlich so: Der Bürger hat seine Freiheiten und der Staat muss es rechtfertigen, dass er diese Freiheiten Einschränkungen unterwirft. Und der Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung ist hier, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben, dass wir es mit einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit zu tun haben.

Und darum sind Maßnahmen gerechtfertigt, solange sie verhältnismäßig sind, um das vielleicht mal holzschnittartig darzustellen. Damit befindet sich die Exekutive, also die Verwaltung, in einer schwierigen Situation. Einerseits sollen die Maßnahmen effektiv, also wirksam sein und der Gefahr einer Weiterverbreitung der Infektion wirksam begegnen. Andererseits müssen die Rechtspositionen, in die eingegriffen wird, demgegenüber gestellt

werden, die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein. Die Behörden haben sich dazu entschieden, schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorzunehmen. Diese Grundrechtseingriffe stehen unter ständiger Beobachtung und sind von den Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Recht hin zu überprüfen.

Es verändert sich jetzt im Laufe der Zeit. Bislang haben die Gerichte ganz weitgehend entsprechende Maßnahmen für verhältnismäßig erachtet. Ich möchte da auch gleich darauf hinweisen, dass alle dieser Maßnahmen, was mitunter in der Diskussion nicht richtig beachtet wird, ja nur temporären, vorübergehenden Charakter haben. Es geht also mitnichten darum, dass Grundrechte dauerhaft abgeschafft werden, sondern es geht nur darum, für einen vorübergehenden gefährlichen Zeitraum Maßnahmen zugunsten anderer Grundrechte, hier Leben, Leib, körperliche Unversehrtheit, zu ergreifen. Sobald diese Maßnahmen nicht mehr oder nicht mehr in diesem Umfang möglich sind, werden die Grundrechte wieder voll zum Tragen kommen.

Adina Murrer
Für viel Aufregung sorgte eine andere Entscheidung des VGHs und zwar hat sich diese bezogen auf eine Corona Verordnung des Landes Hessens bezüglich der Schulpflicht. Viertklässler sollten wie auch andere Abschlussklasse ab dem 27. April wieder in die Schule gehen. Eine Grundschullehrerin hat einen Antrag gegen diese Verordnung eingereicht und der VGH hat ihr Recht gegeben und damit die Schulpflicht ausgesetzt. Können Sie uns diesen speziellen Kasus bitte noch einmal erklären?

Dirk Schönstädt
Ja, ich will es versuchen. Im Prinzip ging es darum, ob Viertklässler zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder in die Schule dürfen oder müssen, je nach Betrachtungsweise. Und hier hat der Senat dahingehend entschieden, dass die Maßnahme, dass man auch die Viertklässler mit einbezieht, dass die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar war. Der Gleichheitssatz ist ein schwieriges Feld, denn vereinfacht gesagt "Gleiches soll gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden". Der Senat, der die Entscheidungen getroffen hat, sah die Zulassung der Viertklässler als nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar an, weil alle anderen, die zugelassen worden waren, bei denen ging es um Übergänge, um Prüfungen et cetera pp. Die standen bei den Viertklässlern aber gar nicht im Raum und darin wurde von dem beschließenden Senat eine Ungleichbehandlung in der Belastung oder meinetwegen auch in der Begünstigung gesehen. Und darum wurde das als mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar gewertet.

Adina Murrer
Ich möchte gerne noch über eine andere Verordnung sprechen, nämlich über die 800 Quadratmeter Regelung, die von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt wurde. Wie kann es also sein, dass der VGH in Bayern die 800 Quadratmeter Regelung für verfassungswidrig erklärt? Im Saarland aber beispielsweise diese bestätigt wurde?

Dirk Schönstädt
Ja, das ist natürlich für Bürgerinnen und Bürger schwer verständlich, warum das Gericht im einen Fall so, in dem anderen Fall so entscheidet. Warum hat sich der Verordnungsgeber dafür entschieden, dass er gesagt hat: Okay, Verkaufsraum über 800 Quadratmeter bleiben

geschlossen, darunter können wir öffnen. Der Wertungsgedanke war dahinter, wenn wir in großem Umfang jetzt die Geschäfte aufmachen, also auch die Geschäfte, die mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben, haben wir eine Sogwirkung in den Innenstädten.

Es kommen mehr Menschen zusammen. Die Infektionsgefahr steigt. Punkt. Die Gerichte stehen dann vor der Frage, ob diese Argumentation es rechtfertigt, zwischen Läden, die 800 Quadratmeter Verkaufsfläche aufweisen, und solchen, die mehr als 800 Quadratmeter Fläche aufweisen, zu unterscheiden. Das ist jetzt eine Wertung der Gerichte. Die Gerichte entscheiden, das ist richterliche Unabhängigkeit. Es gibt zwei Standpunkte, die man hier vertreten kann, mindestens zwei Standpunkte. Der eine Standpunkt kann der sein "Wir wollen wirksamen Gesundheitsschutz."

Das Argument der Sogwirkung bei Geschäften, die mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben, überzeugt, darum ist diese Einschränkung in Ordnung. Die andere Auffassung ist die, dass man sagt "Gut, das mag ja stichhaltig sein. Wir wollen eine Sogwirkung vermeiden. Dazu bedarf es aber nicht unbedingt", und damit sind wir bei der Frage der Verhältnismäßigkeit, "eines Verbots der Öffnung sämtlicher Geschäfte, die mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche aufweisen. Das kann man ja auch verhältnismäßig so regeln: Auch größere Geschäfte, also Geschäfte mit einer größeren Einkaufsfläche, die dürfen öffnen, wenn sie jeweils immer nur 800 Quadratmeter offen halten.

Welcher dieser beiden Auffassungen man folgt, hängt natürlich auch davon ab, wie pauschal oder umgekehrt wie fein differenziert solche Verordnungen rechtlichen Regelungen sein müssen. Darüber haben wieder die Gerichte in richterliche Unabhängigkeit zu entscheiden und das erklärt, warum es zu unterschiedlichen Auffassungen kommen kann. Es gibt Gerichte, die sind da strenger und prüfen das bis zu dem letzten Punkt der Verhältnismäßigkeit durch, andere Gerichte räumen der Verordnung oder dem, der diese Regelung trifft, da einen weiteren Spielraum ein.

Adina Murrer
Herr Schönstädt, Sie haben zu Beginn erwähnt, dass etwa aktuell 70 Corona Verfahren anhängig sind. Auch über Beispiele haben wir bereits gesprochen. Lässt sich denn eine Tendenz erkennen, welche Verordnungen die häufigsten Klagen hervorrufen?

Dirk Schönstädt
Da sind natürlich am stärksten betroffen, die Verordnungen mit den strengsten Kontaktverboten. Also insbesondere, wenn es um Gottesdienste, Maskenpflicht, Sport geht. Und dagegen wird, in Anführungszeichen, mit harten juristischen Bandagen gekämpft und es wird die gesamte Klaviatur abgerufen. Dass die Rechtsgrundlagen dafür defizitär sein, dass, darüber hatten wir beide schon gesprochen, dass die getroffenen Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Das hat ja auch zum Teil Erfolg gehabt, wenn Sie etwa in die Quarantäne Vorschriften denken. Die hat ja das Oberverwaltungsgericht Lüneburg für Niedersachsen gekippt, vor dem Hintergrund, dass sie unverhältnismäßig sind. Momentan steht wohl im Mittelpunkt die Öffnung der Schulen. Auch da sind wieder Verfahren anhängig und auch da steht der Verordnungsgeber vor einer schweren Frage. Denn es ist ein gewaltiger Druck der Menschen da, dass wir wieder eine Beschulung haben und auf der anderen Seite, wenn Kinder, Jugendliche, junge Menschen zusammenkommen, ist auch das Risiko einer Infektion wieder erhöht. Wie begegnet man diesem Konflikt, diesem Zielkonflikt, am besten?

Der Verordnungsgeber hat sich eben dazu entschieden, ja, die Schulen werden geöffnet und flankierend werden Maßnahmen getroffen, damit das Infektionsrisiko so gering wie möglich gehalten wird. Und da sehen Sie aber auch die Beweglichkeit dieser ganzen Angelegenheit der Verordnungsgeber, also die Verwaltung muss da die Entwicklung ständig im Auge behalten. Wenn das klappt, die Schulöffnung und die Infektionsrate steigt nicht oder geringfügig, dann kann man das Ganze so gestalten. Sollte es aber dazu kommen, dass in Folge der Schulöffnung durch Zeitablauf es zu einer zweiten Infektionswelle kommt, müssen neue Regelungen getroffen werden.

Das ist also auch ein ganz dynamischer Prozess und auch das ist eine Besonderheit an der Zeit, in der wir jetzt leben mit dieser Corona Pandemie. Auch die Gerichte müssen und tun dies auch bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, dass wir auf unsicherem Grund uns bewegen. Das heißt, die Verwaltung, die an erster Stelle darauf zu reagieren hat, der ist auch zuzubilligen, dass sie einen gewissen Einschätzungsspielraum hat.

Adina Murrer
Mich würde noch interessieren, wer hinter den Klägern steckt. Also sind das vornehmlich Einzelpersonen oder Personengruppen wie Gewerbetreibende oder gar ganze Konzerne?

Dirk Schönstädt
Ich würde sagen, das ist eigentlich äußerst heterogen. Ein verbindendes Glied dabei ist allerdings, dass natürlich Menschen Eilanträge einreichen oder Anträge einreichen, die besonders betroffen sind. Das sind etwa Gewerbetreibende. Da haben wir eine existentielle Betroffenheit. Das sind etwa Eltern, die Schwierigkeiten haben, ihre Kinder vernünftig unterzubringen. Aber ansonsten geht das querbeet durch die Gesellschaft, was die Antragssteller anbelangt. Und das ist eigentlich auch richtig so, denn dafür sind die Verwaltungsgerichte gerade da. Das ist eigentlich jetzt, wenn sie so wollen, auch die Stunde der Verwaltungsgerichte, dass eben im demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland der Staat selbst in Zeiten einer Pandemie gewisse Regeln einhalten muss. Gemeint sind, dass die Grundrechte auch in Krisenzeiten ihre Geltung beanspruchen und dass flankierend ein Grundrechtsschutz durch Gerichte gewährleistet ist. Und um das auch mal zu sagen: Es ist eigentlich beruhigend, dass auch in einer solchen Zeit die Justiz funktioniert und gerade auch die Gerichte, die das Ganze überprüfen. Es sind auch Verordnungen, rechtliche Regelungen der Exekutive von den Gerichten kassiert worden. Also wir haben jetzt zwar eine Gesundheitskrise, eine Pandemie, aber wir haben keine Krise des Rechtsstaats. Und das ist eigentlich ein Befund, den ich zwar erwartet habe, aber umso schöner ist, dass er sich jetzt bestätigt hat.

Adina Murrer
Einzelne Personen, aber auch Personengruppen fühlen sich aufgrund der Corona Verordnungen, aber auch wegen einzelner Entscheidungen des VGH ungerecht behandelt. Wie gehen Sie damit juristisch und menschlich um?

Dirk Schönstädt
Das eine ist: Kann man Dinge menschlich nachvollziehen oder auch nur rational, dass man die Argumentation nachvollziehen kann. Und davon zu unterscheiden ist dann die Frage: Ist es rechtlich zulässig, dass in der entsprechenden Art und Weise unterschieden worden ist. Und das sind immer zwei unterschiedliche Paar Schuhe, auch wenn ich eine Argumentation eines Betroffenen nachvollziehen kann, weil er sich, in Anführungszeichen, ungerecht behandelt fühlt, muss man als Richterin oder Richter, muss man das Ganze mit der Elle des Rechts messen. Da haben wir als Richterinnen und Richter ein Problem.

Die Mehrheit der Bevölkerung denkt immer, sie weiß ganz genau, was gerecht ist und was ungerecht ist. Eine Rechtsordnung ist aber dadurch charakterisiert, dass, in einer Demokratie durch das Parlament und dann gegebenenfalls delegiert auch durch die Exekutive, Regelungen getroffen werden, die haben häufig kompromisshaften Charakter. Bei Kompromissen setzt sich nie die eine oder die andere Richtung durch. Das ist genau genommen wie eine Beziehung oder Ehe. Da sind auch, sagen wir mal, zwei zusammen und jeder von beiden meint, recht zu haben.

Und wenn man sich auf etwas einigt, kommt daraus häufig ein Kompromiss, es entsteht ein Kompromiss, in dem beide Seiten nachgeben. Und vielleicht finden beide Seiten das nicht vollständig gerecht, aber wir haben dann die Regelung und daran ist das weitere Verhalten zu messen. Und vielleicht sollte man mal so sehen: Bei Krankheiten fragt man den Arzt und bei Rechtsfragen ist vielleicht ganz hilfreich auch sich professioneller Hilfe zu bedienen und da gehören eben auch Richterinnen und Richter dazu.

Adina Murrer
Lieber Herr Schönstädt, damit sind wir am Ende unseres Podcasts und ich bedanke mich ganz herzlich für die Einblicke in die Rolle der Verwaltungsgerichte während der Corona Pandemie. Ich glaube, spätestens jetzt ist allen Zuhörerinnen und Zuhörern bewusst, wie wichtig eine funktionierende Justiz auch gerade in Krisenzeiten ist. Damit bedanke ich mich auch bei allen, die wieder mal eingeschaltet haben und freue mich schon auf die nächste Folge, wenn es wieder heißt "Zeit für Justitia - der Justiztalk aus Hessen".