Adina Murrer
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Podcast "Zeit für Justitia - der Justiztalk aus Hessen". Mein Name ist Adina Murrer und ich wünsche uns eine spannende Sendung. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zu einen neuen Podcastfolge. Ich bin heute in Frankfurt und treffe Herrn Woitaschek, dem Präsidenten des Landesarbeitsgericht. Wir wollen heute über das verantwortungsvolle Amt ehrenamtlicher Richterinnen und Richter sprechen. Zunächst schlage ich vor, dass Sie uns Herr Woitaschek einen kurzen Einblick über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit geben.
Frank Woitaschek
Frau Murrer, hallo, mach ich natürlich sehr gerne. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist kurz und schnell erklärt - vor allem natürlich für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, das sind Kündigungsschutz, Verfahren, Zahlungen, Streitigkeiten, Streitigkeiten über Zeugnisse und Abmahnungen, das ist ein großer Bereich unserer Tätigkeit. Daneben aber auch gibt es sogenannte kollektive Streitigkeiten. Das sind vor allen Dingen die zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern oder umgedreht zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten, je nachdem, wer sich an uns wenden. Und zwar insbesondere Mitbestimmungsfragen, also Fragen über Arbeitszeit, über bestimmte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb, Gesundheitsschutz, großes Thema im Moment in der Corona Krise, also all diese Mitbestimmungsrechte in Fragen. Wenn darüber Streitigkeiten entstehen, sind die Arbeitsgerichte auch zur Entscheidung berufen. Und dann gibt es noch einen ganzen kleinen Teil unserer Tätigkeit, der aber in der Öffentlichkeit in den zurückliegenden Jahren sehr wahrgenommen wurde. Wir sind nämlich auch zuständig für die Entscheidungen in Streik-Situationen, da wär die Frage, ob ein Streik rechtswidrig ist und unterbunden werden muss. So erinnere ich an die Streiks bei der Bahn oder einen großen Flugbetrieb hier in Deutschland, darüber hinaus die Fluglotsen und auch wenn da Fragen zu entscheiden waren, sind da die Arbeitsgerichte zuständig und dann muss in diesen Fällen natürlich sehr schnell entschieden werden. Und vor allen Dingen sind auch ganz viele Menschen davon betroffen und deswegen wird das gerade in der Öffentlichkeit auch sehr wahrgenommen, ist aber natürlich ein doch sehr kleiner Teil unserer Tätigkeiten.
Adina Murrer
Nun haben Sie es schon angesprochen, die Corona Krise hat natürlich auch die Gerichte zum Teil lahmgelegt. Jetzt ist alles wieder etwas hochgefahren. Vielleicht können Sie uns auch nochmal erzählen, wie die Arbeitsgerichtsbarkeit, speziell natürlich das Landesarbeitsgericht mit der Corona Krise umgegangen ist, was sich in den Arbeitsabläufen verändert hat, in der Arbeitsweise.
Frank Woitaschek
Natürlich hat uns auch Mitte März die Situation voll getroffen. Glücklicherweise trifft das Wort lahmgelegt nicht ganz zu, weil wir bei den Arbeitsgerichten und auch beim hessischen Landesarbeitsgericht, den Sitzungensbetrieb nicht vollständig nur auf Eilverfahren, also das, was unbedingt und schnell entschieden werden muss, reduziert haben, sondern wir haben darüber hinaus auch Kündigungsverfahren weiter entschieden, mit Blick darauf, dass auch dort der Zeitdruck natürlich da ist.
Die Menschen wollen verständlicherweise eine Entscheidung schnell, was ihr Arbeitsverhältnis anbelangt, sowohl die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber auch. Und insoweit war das zwar reduziert, aber nicht vollständig lahmgelegt und wir haben dann auch schon recht frühzeitig ab Ende April wieder begonnen, den Sitzungsbetrieb hochzufahren.
Also über das, was wir ohnehin gemacht haben, natürlich unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen, die wir auch jetzt immer noch fortentwickeln. Also wir versuchen auch im Moment noch besser zu werden, jeden Tag machen wir uns natürlich auch die Erfahrungen der letzten Woche zunutze. Und seit dem 11. Mai ist es so, dass man eigentlich vom Sitzungsbetrieb wieder im Normalbetrieb sprechen kann, ja. Wir haben in den Sitzungssälen natürlich Plexiglas, sofern das gewünscht ist, da, wo die Abstände unproblematisch eingehalten werden können, nicht. Wir haben zusätzliche, wir nennen das Sitzungsmanager, also externes Personal, die auf den Gängen dafür sorgen, jedenfalls dafür sorgen sollen, manche sind auch nicht ganz Bewerber auf Anhieb, die zu uns kommen, dass der Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten wird. Sie schauen darüber hinaus, dass gut gelüftet wird, sowohl in den Gängen selbst wie auch in den Sitzungssälen, wenn Unterbrechungen da sind, sie desinfizieren dann auch die Kontaktfläche - also all das sind Dinge, um die wir uns bemüht haben.
Darüber hinaus sind wir auch zu räumlicher und zeitliche Entzerrung gekommen. Also wir haben den Korridor, in dem verhandelt wird, erheblich ausgedehnt. Hier in Frankfurt, sowohl beim Arbeitsgericht wie auch beim Landesarbeitsgericht, können wir jetzt verhandeln zwischen 9 und 19 Uhr und machen das auch und diese zeitliche Entzerrung führt natürlich auch dazu, dass weniger Menschen auf einmal im Gebäude sind und das ist natürlich in Anbetracht des fortbestehenden Infektionsrisiko natürlich angenehm und hilfreich.
Ansonsten ist es so, das will ich auch in dem Zusammenhang ansprechen, dass wir natürlich zum einen die Bediensteten des Landes Hessen haben, also den nicht richterlichen Teil, die richterlichen Kolleginnen und Kollegen, die, und das muss ich wirklich sehr lobend erwähnen, in dieser Zeit von Anbeginn an dabeigeblieben sind, sich haben nicht erschrecken lassen von den Infektionensgeschehen. Aber es kommt noch eine weitere Gruppe an Menschen hinzu, die für unsere Rechtsprechung absolut notwendig sind und da meine ich die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und auch das will ich hier ganz positiv erwähnen und ansprechen, die auch, obwohl auch dort sehr viel ältere Menschen dabei sind, die durchaus für sich in Anspruch nehmen können, zu der Risikogruppe zu gehören, die möglicherweise auch vielleicht gesundheitliche Einschränkungen haben. Aber alle, wirklich durchweg alle, sind dabeigeblieben, konnten geladen werden zu den Sitzungen, denn wir
können Urteile nur fällen, wenn sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Instanz, wenn die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der mündlichen Verhandlung dabei sind. Und deswegen ist das von entscheidender Bedeutung und auch da gilt mein Dank dieser Gruppe an Personen, die wirklich dabei geblieben sind und sich eingesetzt haben für uns.
Adina Murrer
Es gibt neben den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern auch Schöffinnen, Schöffe und Geschworene. Könnten Sie uns einmal bitte erklären, worin die Unterschiede liegen?
Frank Woitaschek
Ich will es gerne mal versuchen, da wir in der Arbeitsgerichtsbarkeit nur, in Anführungszeichen, ehrenamtliche Richter haben. Also letztlich ist das Verständnis vielleicht das Grundlegende. Zunächst einmal: All das sind Begrifflichkeiten, die für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger an der Urteilsfindung stehen. Das haben wir in allen Bereichen unserer Gerichtsbarkeiten in Deutschland, dass wir mit ehrenamtlichen Richtern zu tun haben. Die Begrifflichkeit Schöffe ist dann etwas, was aus dem Strafverfahren kommt. Das sind die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, oder auch Laienrichter nennen wir ja alle durchaus auch umgangssprachlich hier diese Personen, die in den Hauptverhandlung bei der Strafgerichten dabei sind.
Der Begriff Geschworener ist jetzt einer, den wir in der Bundesrepublik so nicht mehr verwenden. Wir haben zwar noch Schwurgerichte, so nennen wir die Großen Strafkammer soweit ich weiß, es ist nicht mein Bereich, das Strafrecht, aber ich bin mir sicher, dass es so ist. Aber auch da sprechen wir nicht mehr von Geschworenen, sondern sprechen von Schöffin und Schöffen. Aber der große Unterschied ist, dass bei den Schöffin und Schöffen eine Verpflichtung besteht, also das kann jede Bürgerin, jeden Bürger treffen, dass man herangezogen wird, das ist bei den Arbeitsgerichten etwas anders.
Adina Murrer
Wo kommt denn eigentlich diese Tätigkeit her? Also dass es neben den Berufsrecht dann auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter gibt?
Frank Woitaschek
Ja, historisch verorten lässt sich das in der Demokratiebewegung 18./19. Jahrhundert. Letztlich ging es um die Kontrolle der Richterinnen und Richter. Aus der Ecke kommt das und die Tradition der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit ist schon sehr lang, es geht zurück auf das Gewerbegerichtsgesetz von 1890. Da war festgeschrieben erstmals, dass die Besetzung der Arbeitsgerichte aus Berufsrichter und ehrenamtlicher Richterinnen und Richtern besteht, dürften damals allerdings fast ausschließlich Männer gewesen sein, also Richter. Soweit hat das in der Arbeitsgerichtsbarkeit auch schon eine lange, sehr lange Tradition historisch betrachtet und es wird auch heute von allen beteiligten Kreisen, die mit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu tun haben, in außerordentlichem Maße begrüßt, dass wir auch mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzte Spruchkammer haben.
Adina Murrer
Warum ist es denn überhaupt notwendig, ehrenamtliche Richterinnen und Richter, also auch keine Berufsrichter, in das Urteil bzw. in Gerichtsverfahren mit einzubinden?
Frank Woitaschek
Die Einbindung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist natürlich zum einen der Kontrolle der Berufsrichterinnen und -richter geschuldet, das ist dieses traditionelle Argument aus der Historie gewachsen. Heute steht natürlich für uns im Vordergrund, die Beteiligung der Sachkunde, der Erfahrungen aus dem Berufsleben in den jeweiligen Kammern der Arbeitsgerichte, es hilft bei der Akzeptanz der Entscheidung. Das ist auch in der Praxis immer wieder zu beobachten, dass, wenn das Verfahren vielleicht nicht so ganz glücklich in der mündlichen Verhandlung verläuft, dass Blickkontakt aufgenommen wird mit der Seite, entweder Arbeitnehmer oder Arbeitgeberseite, von der man sich dann vielleicht Hilfe erhofft. Und da wir feste Sitzordnung haben, ist es nämlich so, dass vom Vorsitzenden aus betrachtet der Arbeitgeber Beisitzer immer rechts und der Arbeitnehmer Beisitzer links sitzt, weiß man auch, auf welche Seite man schauen muss, sondern an wen man sich Hilfe suchend versuchen kann zu wenden. Aber das ist natürlich auch ein Punkt, dass es einfach darum geht, die Akzeptanz zu schaffen, dass es letztlich eine einheitliche Entscheidung einer Kammer ist, besetzt mit einer Berufsrichterin, einem Berufsrichter und ehrenamtlichen Richtern, jeweils von der Arbeitnehmer und der Arbeitgeberseite. Aber gerade natürlich wichtig die Vermittlung der Praxis in den Entscheidungen selbst bei der Entscheidungsfindung.
Adina Murrer
Was muss man denn als ehrenamtlicher Richter oder ehrenamtliche Richterin mitbringen, um beispielsweise jetzt am Landesarbeitsgericht tätig zu werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Frank Woitaschek
Voraussetzungen, um ehrenamtliche Richterinnen oder Richter in der Arbeitsgerichtbarkeit zu werden, welche, in dem Zusammenhang nochmal gesagt, das Interessante ist ja, dass wir durch alle drei Instanzen ehrenamtliche Richterinnen und Richter haben. Also sowohl bei den beiden Tatsachen Instanzen, bei den Arbeitsgerichten und dem Landesarbeitsgericht, aber auch beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt gibt es ehrenamtliche Richterinnen und Richter in den Senaten. Und das Modell, was der Gesetzgeber sich vorstellt, ist, dass man eine gewisse Erfahrung sammelt und durch die Instanzen geht.
Das ist aber nicht zwingend. Zwingende Voraussetzung ist aber ein Mindestalter, das liegt bei den Arbeitsgerichten bei 25, bei den Landesarbeitsgericht bei 30 und mit 35 Jahren darf man dann auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter beim Bundesarbeitsgericht werden.
Dazu ist die Voraussetzung eine weitere, dass man, jedenfalls was die Arbeitsgerichte angeht, im Bezirk des Arbeitsgerichts wohnen oder arbeiten muss. Das ist dann bei den Landesarbeitsgericht, weil sich das auch für das ganze Land Hessen erstreckt, natürlich etwas einfacher, sein Wohnsitz oder seine Arbeitsstelle in Hessen zu haben. Und beim Bundesarbeitsgericht kommt noch eine spezielle Expertise hinzu, da steht nämlich im Gesetz drin, man soll besondere Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens haben, was auch immer das genau im Einzelnen heißen mag.
Adina Murrer
Wie kann ich nun das Amt der ehrenamtlichen Richtertätigkeit aufnehmen? Kann man sich dafür beispielsweise bewerben?
Frank Woitaschek
Bewerben wäre gut. Also das funktioniert vielleicht zum Teil. Also das Vorschlagsrecht liegt bei den Gewerkschaften und bei den Arbeitgeberverbänden. Die erstellen Listen und aus diesen Listen werden letztlich die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter durch das Ministerium, hier in Hessen ist es das Justizministerium, ernannt und ausgewählt, und zwar in einem angemessenen Verhältnis. Also das sollen zu gleichen Teilen ehrenamtliche Richterinnen und Richter aus dem Arbeitnehmer Bereich wie aus dem Arbeitgeberbereich sein. Ich will vielleicht nochmal ganz kurz ausholen, Frau Murrer, es gibt natürlich auch Situationen, in denen man nicht ehrenamtlicher Richter werden kann. Also es gibt auch Ausschlusskriterien. Dazu gehört einmal die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und gewisse Vorstrafen. Also wenn es da eine Voraussetzung in der Hinsicht fehlt, dann kann kann man nicht ehrenamtliche Richter oder Richterin werden. Auch wenn man nicht das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag besitzt und das letztlich ist dann bedeutend, wenn die deutsche Staatsbürgerschaft fehlt. Und ein dritter Punkt, aber der, glaube ich, ist auch für jeden verständlich, ich kann auch dann nicht ehrenamtliche Richterin oder Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit werden, wenn ich selbst an einem Arbeitsgericht beschäftigt bin.
Das ist glaube ich auch naheliegend. Ansonsten ist es wie gesagt so, die Bestellung erfolgt durch das Ministerium und zwar jeweils auf fünf Jahre. Und in dieser Zeit ist man bestellt und wird dann über die Geschäftsverteilung eines jeden Gerichtes, einem Spruchkörper, so nennen wir die Kammern, zugewiesen. Da gibt es dann Listen und aus diesen Listen werden die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter herangezogen. Und das geschieht natürlich nicht beliebig, sondern da es auch bei den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern so ist, dass das natürlich neutrale, unabhängige Richterinnen und Richter sind und es darf dieses System natürlich nicht willkürlich sein, sondern sie müssen nach einem bestimmten Prinzip geladen werden, um letztlich, und das ist wieder sehr wichtig, auch dem Recht auf den gesetzlichen Richter genüge zu tun. Das ist etwas, was im Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes steht, dass nämlich jeder seinem gesetzlichen Richter nicht entzogen werden darf. Das heißt, wir müssen nachweisen können, jederzeit, warum eine bestimmte ehrenamtliche Richterin, ein bestimmter ehrenamtlicher Richter zu einem Termin geladen wurde und damit Teil des an diesem Tag tätigen Spruchkörpers war und einen bestimmten Fall entscheiden durfte.
Wenn da Fehler gemacht werden, dann kann das auch im Nachgang sehr unangenehm werden. Beispielsweise beim Landesarbeitsgericht ist das ein absoluter Revisionsgrund, wenn das Gericht in dieser Hinsicht nicht ordnungsgemäß besetzt ist, das heißt, wenn wir einen Fehler gemacht haben bei der Ladung einer ehrenamtlichen Richterin oder eines ehrenamtlichen Richters. Deswegen ist es auch besonders wichtig für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Service Einheiten, so nennen wir hier die Geschäftsstellen der Gerichte, zu dokumentieren, wenn beispielsweise jemand wegen Urlaub oder Krankheit oder beruflicher Verhinderung absagen, eine andere Person geladen werden muss, das muss ordnungsgemäß dokumentiert sein, damit es jederzeit nachvollzogen werden kann.
Adina Murrer
Herr Woitaschek, werfen wir einen Blick in die Praxis. Wie kann man sich nun die Ausübung der ehrenamtlichen Richter-Tätigkeit vorstellen und welche Rechte haben diese Ehrenamtler?
Frank Woitaschek
Vielleicht zum äußeren Ablauf zunächst gesagt. Es gibt so eine Faustformel, dass jeder circa einmal im Vierteljahr drankommt. Das gilt sowohl für die erste wie die zweite Instanz. Und dieses Drankommen sieht so aus: Sie werden ordnungsgemäß geladen durch die Gerichte, müssen das auch bestätigen. Und in der ersten Instanz werden an einem Sitzungstag in der Regel deutlich mehr Verfahren verhandelt als es in der Berufungsinstanz ist. Und deswegen ist es nicht möglich, den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern organisatorisch nicht möglich, im Vorfeld quasi eine Kopie oder Auszüge aus der Akte zu schicken. Das heißt, die Vorbereitung auf die eigentliche Sitzung findet dann am jeweiligen Sitzungstag statt, indem man gemeinsam bespricht, welche Fälle anstehen. Es ist allerdings auch so, wenn man das möchte, als ehrenamtliche Richterinnen und Richter, man kann auch vorab in die Akten schauen, kann dann einen Termin vereinbaren, vorher kommen. Das schaffen aber die wenigsten in der Regel, weil sie natürlich selbst auch berufstätig sind und unter Zeitdruck natürlich steht. Ein Verhandlungstag dauert dann in der Regel von 9 bis 13, manchmal auch 14, 15 Uhr. Je nachdem, wie lange die Verfahren sich rausziehen und was die Frage jetzt der stillen Berechtigung oder der Wertigkeit, ich will es mal so salopp bezeichnen, der Berufsrichterin des Berufsrichters und dann der ehrenamtlich ehrenamtlichen Richterinnen und Richter anbelangt, ist es so, dass die Spruchkörper, also die Kammern in der ersten und zweiten Instanz jeweils mehrheitlich mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzt sind, weil wir haben einen Berufsrichter, eine Berufsrichterin und jeweils dann eine ehrenamtliche Richterin, einen ehrenamtlichen Richter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.
Das heißt wiederum, wenn es zu einem Urteil kommt und man sich bespricht und man sich nicht einigen kann, muss man abstimmen. Das wäre das Prozedere, natürlich findet das alles hinter verschlossenen Türen statt, weil das Beratungsgeheimnis des jeweiligen Spruchkörpers der Kammer ist. Aber das muss da besprochen werden und wenn die sich nicht einig werden, müssen sie abstimmen. Dann ist die Situation so, dass tatsächlich ein Mann als Berufsrichterin, als Berufsrichter auch überstimmt werden kann, mit der weiteren Folge, dass man dann ein Urteil schreibt, hinter dem man eigentlich nicht steht, aber so ist
das. Und wenn man natürlich auch im Urteilstext nicht zu erkennen geben darf, wie denn letztlich diese Entscheidung zustande gekommen ist, weil das ist Beratungsgeheimnis der jeweiligen Kammer
Adina Murrer
Ist Ihnen das vielleicht schon mal passiert?
Frank Woitaschek
Frau Murrer, da der Fall über 20 Jahre zurückliegt, erzähle ich's gerne. Also mir ist als junger Richter tatsächlich so eine Situation passiert und ich sage mal ganz kurz, worum es ging. Es ging um die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin der Personalabteilung eines großen Supermarktes und deren Aufgabe war, sie musste auf das Zeiterfassungssystem achten. Also sie hatte die Berechtigung, auch dort erfasste Arbeitszeiten im Nachhinein zu ändern, was immer wieder erforderlich ist, wenn Arbeitszeit elektronisch erfasst wird. Und diese Möglichkeit hat sie genutzt, dann hat sie sich selbst etliche Stunden immer zukommen lassen, die sie tatsächlich gar nicht gearbeitet hatte.
Und das über ganz viele Jahre. Und irgendwann flog das auf mit der Konsequenz, sie wurde fristlos gekündigt. Für mich als junger Richter ein glasklarer Fall in der Vorbereitung, weil an der fristlose Kündigung gab's nichts zu deuteln. Es kam dann in der Beratung etwas anders, weil ich hatte zwei von mir sehr geschätzte ehrenamtliche Richter. Der eine Personalleiter eines großen Unternehmens, der andere sogar Gesamt-Betriebsratsvorsitzende eines sehr großen Chemieunternehmens und beide waren sich einig, da braucht man keine Kündigung, da tut's auch eine Abmahnung, die sollte weiterarbeiten dürfen. Das hat mich natürlich in größere Schwierigkeiten gestürzt. Ich wusste jetzt nicht so richtig wie mit der Situation umzugehen. Und wir haben dann ziemlich lange besprochen, uns hinter den verschlossenen Türen und sind dann zu dem Ergebnis gekommen: Wir haben eine Art Vergleich beschlossen, wenn ich das so nennen darf. Sie ist dann mit einer ordentlichen Kündigung in der ersten Instanz, die haben wir als rechtmäßig erachtet, und die außerordentliche Kündigung, die ausgesprochen war, für unwirksam erklärt. Das hat allerdings in der Berufungsinstanz nicht gehalten. Ich habe dann die Akte ein Jahr später zurückbekommen und dann war die fristlose Kündigung bestätigt, weil es an der auch rein juristisch betrachtet kein vorbeigehen gab.
Adina Murrer
Sie haben zu Beginn erwähnt, dass man für mindestens fünf Jahre herangezogen werden kann. Gibt es auch eine Möglichkeit vorher, sich dieser ehrenamtlichen Tätigkeit zu entziehen?
Frank Woitaschek
Es gibt die Möglichkeit, das ehrenamtliche Richteramt vorzeitig niederzulegen. So nennt das Gesetz das beispielsweise, wenn man die Regelaltersgrenze erreicht hat oder aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert ist, das Amt ordnungsgemäß wahrzunehmen.
Auch wenn man durch diese ehrenamtliche Tätigkeit eben so in Anspruch genommen wird, dass die Übernahme einer anderen ehrenamtlichen Tätigkeit für die Allgemeinheit, und letztlich auch besteht die Möglichkeit für die die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, die schon seit zehn Jahren das Amt ausüben, die haben dann die Berechtigung, auch dieses Amt niederzulegen.
Es kann auch aus anderen Gründen zu einer vorzeitigen Beendigung kommen. Und zwar nennen wir das Amtsentbindungen. Eine Amtsentbindung ist immer dann möglich, wenn im Nachhinein herauskommt, dass eine Voraussetzung gefehlt hat, also beispielsweise vielleicht das Mindestalter nicht gestimmt hat, aber eher die Voraussetzung, dass man nicht berufstätig oder nicht wohnhaft ist im Bezirk des jeweiligen Arbeitsgericht. Sollte so etwas bekanntwerden, gibt's die Möglichkeit, einen Antrag auf Amtsentbindungen zu stellen. Der kann durch das Ministerium oder durch die betreffende Person selbst gestellt werden und darüber entscheidet dann eine Kammer des Landesarbeitsgerichts, ob das rechtmäßig ist oder nicht. Genau das Gleiche gilt, wenn eine der Voraussetzungen nachträglich wegfallen, sollte man weder seinen Wohnsitz noch seine Arbeitsstelle im Bezirk des jeweiligen Arbeitsgerichts haben. Auch dann wird man vom Amt entbunden. Das muss aber durch gerichtliche Entscheidung geschehen und bis zu dieser gerichtlichen Entscheidung ist man auch weiter verpflichtet, als ehrenamtliche Richterinnen und Richter tätig zu sein.
Adina Murrer
Also ist eine Versetzung in einen anderen Bezirk auch nicht möglich?
Frank Woitaschek
Also eine Versetzung ist leider nicht möglich. Aber in der Tat ist es so, Frau Murrer, dass sich die ehrenamtlichen Richter dann immer wieder melden und fragen "Wie sieht das denn aus? Ich gehe jetzt entweder sogar in ein anderes Bundesland oder ziehe jedenfalls in einen Bezirk eines anderen Arbeitsgerichts hier in Hessen, kann ich dort weiter tätig werden?“, und dann ist es aber so, dass ich zunächst darauf verweisen muss, da liegt ein Amtsentbindungsgrund vor, aber dann kann man sich natürlich dort wieder vorschlagen lassen und kann dann auch zu ehrenamtlicher Richter neue Richter ernannt werden.
Adina Murrer
Erhalten die ehrenamtlichen Richterinnen und ehrenamtlichen Richter auch eine Art Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit?
Frank Woitaschek
Ja, also eine Aufwandsentschädigung wird gezahlt, da es ein Ehrenamt ist. Kann man natürlich. Oder soll man nichts damit verdienen? Aber man soll natürlich auch nicht mit irgendwelchen Beträgen Verluste eingehen, deswegen kriegt man natürlich die entgangene Arbeitsvergütung ersetzt für diese Stunden, die man hier als ehrenamtliche Richterinnen oder Richter verbringt und darüber hinaus auch wenn natürlich Fahrtkosten, Parkkosten oder alle diese Dinge, die anfallen können, die werden ersetzt durch uns.
Adina Murrer
Muss dann auch eine Art Mindestanzahl ehrenamtlicher Richterinnen und Richter tätig sein, um den Geschäftsbereich behaupt aufrechtzuerhalten? Sie haben es übrigens schon mal angedeutet und vielleicht auch noch die Frage nachgestellt, wie viele ehrenamtliche Richterinnen und Richter gibt es denn derzeit in der Arbeitsgerichtsbarkeit?
Frank Woitaschek
Im Moment ist es so, dass wir rund 2400 ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der hessischen Arbeitsgerichtsbarkeit haben in beiden Instanzen. Und diese Zahl wird auch immer sorgfältig ermittelt anhand der Kammern und die einzelnen Gerichte müssen da entsprechende Meldung machen, wie viele Richterinnen und Richter sind ausgeschieden und dann wird ermittelt, wie viele neu ernannt werden müssen. Also man achtet schon, oder wir achten sehr genau darauf, das Ministerium, dass diese Zahl auch stimmt, sodass die Belastung natürlich auch für die Einzelnen nicht zu hoch wird.
Denn daran will ich nochmal erinnern, alle machen das wegen ihrer Berufstätigkeit an, sie machen es gerne. Viele machen es auch, um für sich selbst etwas mitzunehmen, was mit Sicherheit auch empfehlenswert ist. Also wenn man in dieser Verhandlungssituation dort über arbeitsrechtliche Fälle entscheidet, kann man immer etwas mitnehmen für die eigene Tätigkeit, sei es als Betriebsrat oder als Personalrat.
Adina Murrer
Sie haben bereits erwähnt, dass auch sogenannte Listen angefertigt werden, vielleicht werden hierbei auch die Geschlechter erfasst. Wie sieht denn das Verhältnis der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter aus? Ist es ausgewogen oder sind beispielsweise mehr Männer oder mehr Frauen tätig?
Frank Woitaschek
Das Verhältnis ist leider nicht ausgewogen und wir haben ungefähr ein Drittel Frauen und zwei Drittel Männer und das entspricht auch nicht dem Geschlechterverhältnis bei den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern. Da sind Frauen durchaus in der Mehrheit, auch wenn man die sieben Arbeitsgerichte betrachtet. In Hessen werden fünf von Frauen geleitet und zwei von Männern. Also die Frauen sind unter den Berufsrichterinnen und den Berufsrichtern recht stark repräsentiert und das findet sich bei den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern leider nicht so. Insoweit würde ich persönlich mir wünschen, dass wir auch noch deutlich mehr Frauen unter den erlangten Richterinnen und Richtern haben können.
Adina Murrer
Herr Woitaschek, mit diesen Worten sind wir am Ende unseres Gesprächs. Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die durchaus wichtige Tätigkeit ehrenamtlicher Richterinnen und Richter. Vielleicht kann sich jetzt auch der eine oder andere Zuhörer bzw. Zuhörerinnen für dieses Amt begeistern.
Frank Woitaschek
Frau Murrer, das würde mich freuen. Ich kann nur für die Tätigkeit werben und kann sagen, jeder kann für sich was mitnehmen. Und vor allen Dingen: Es ist ein Ehrenamt, es ist eine Tätigkeit für die Gesellschaft und von äußerster Wichtigkeit.
Adina Murrer
Auch ich bedanke mich bei Ihnen für das Zuhören und freue mich schon auf die nächste Folge, wenn es wieder heißt Zeit für "Justitia der Justiztalk aus Hessen".