Youtube Video: #KeineMachtdemHass im Talk - Welche Verantwortung haben Medien in einer Gesellschaft?

:Dauer: 1 Stunde, 14 Minuten, 31 Sekunden
Talkrunde im Studio zum Thema #KeineMachtdemHass

#KeineMachtdemHass im Talk - Welche Verantwortung haben Medien in einer Gesellschaft?

Zum Aktionstag gegen Hasskriminalität fanden im Format "#KeineMachtdemHass im Talk" zwei Gesprächsrunden statt. Hier finden Sie die Aufzeichnung der zweiten Gesprächsrunde zum Thema: „Fake News, Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung – welche Verantwortung haben Medien in einer Gesellschaft?“

Gäste waren:

  • Eva Kühne-Hörmann, Hessische Ministerin der Justiz
  • Marco Maier, Geschäftsführer HIT Radio FFH
  • Manfred Krupp, Intendant Hessischer Rundfunk
  • Joachim Becker, Direktor Hessische Landesmedienanstalt
  • Michael Sasse, Sprecher Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung
  • Dr. Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT)

 

Off-Sprecher
Herzlich willkommen zum Livestream #KeineMachtdemHass im Talk, live aus dem FFH Funkhaus in Bad Vilbel. Ihre Moderatorin: Ute Wellstein.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Guten Tag. Worte und Bilder können verletzen. Das ist kein neues Phänomen, aber eins, das mit dem Aufkommen der sozialen Medien im Internet eine ganz neue Dimension bekommen hat. Das erfahren Kinder und Jugendliche, die gemobbt werden. Das erfahren Journalisten und Politiker, die beschimpft werden oder bedroht werden. Das kann aber auch jeden und jede treffen, die im Netz unterwegs sind, dass sie auf einmal mit Hass und Häme überschüttet werden oder gehetzt werden. Heute, am Aktionstag gegen Hasskriminalität, wollen wir darüber diskutieren. Herzlich willkommen dazu aus dem FFH Besucherzentrum aus Bad Vilbel und damit Sie einen kleinen Eindruck haben, um was es geht, zeigen wir zur Einstimmung einen Film.

(Einspieler)
Off-Sprecherin
Wurdest du schon mal angegriffen, obwohl du dich eigentlich sicher gefühlt hast? Beim Frühstück, auf dem Weg zur Arbeit oder im Büro… Gewalt und Bedrohung müssen nicht immer physischen Ursprungs sein. Dennoch. Worte und Bilder können als Waffe eingesetzt werden und diese Angriffe sind von unterschiedlicher Form und Gestalt. Mit einem Ziel: zu demütigen, zu bedrohen und zu verletzen. Attacken wie diese können uns alle treffen. Doch wir müssen sie uns nicht gefallen lassen.

Eva Kühne-Hörmann
Hass und Hetze sind bedauerlicherweise im Netz zu einer großen Bedrohung geworden – für Privatpersonen genauso wie für Personen des öffentlichen Lebens und Vertreter aus Politik und Wirtschaft. Jeder, der bereits Hass und Hetze selbst erlebt hat, ist in unserem Rechtsstaat nicht schutzlos. Mit unserer Kooperation „Keine Macht dem Hass“ zeigen die Kooperationspartner Haltung. Unser Bündnis aus Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft sagt den Tätern den Kampf an. Dabei gibt es viele Wege, diesem Phänomen zu begegnen.

Prof. Daniel Hornuff
Hate Speech ist oft eine brisante Mischung aus Texten und Bildern. Vor allem in den sozialen Medien spielen die Bilder des Hasses eine große Rolle. Sie verleihen dem Hass ein ästhetisches Aussehen. Wir an der Universität Kassel analysieren die Mechanismen dieses ästhetischen Hasses. Wir schauen genau hin.

Joachim Becker
Medienvielfalt dient der Selbstverständigung in unserer Demokratie. Daher ist es notwendig, einen breiten öffentlichen Diskurs zu führen. Sobald man an diesem Diskurs teilnimmt, sind bestimmte Konventionen der Kommunikation und Spielregeln einzuhalten. Deshalb beugen wir vor. Wir leisten präventive Arbeit, um insbesondere den jüngsten unter uns Wege zu weisen, wie sie sich respektvoll und fair im Netz bewegen.

Manfred Krupp
Wir legen offen. Wir ziehen Grenzen dort, wo Hass und Gewalt Meinungsfreiheit einschränkt, denn die offene Meinung, der freie Meinungsaustausch sind das Lebenselixier der Demokratie.

Marco Maier
Wir wägen ab. Eine ausgewogene Berichterstattung und Meinungsvielfalt sind nicht nur unser Ziel, wir leben Vielfalt. Hass und Hetze dürfen nicht salonfähig werden.

Rainer Hahne
Wir diskutieren. Nur, wenn wir über Hass und Hetze im Internet reden, wenn wir genau hinschauen, können wir mögliche Opfer schützen und Straftaten vielleicht im Keim ersticken.

Sebastian Rode
Wir sensibilisieren. Mit Reichweite und Engagement schaffen wir ein Bewusstsein für das Problem und zeigen, dass jeder Opfer – aber auch Helfer sein kann.

Juliane Chakrabarti
Wir halten dagegen – mit sachlichen, menschenfreundlichen und konstruktiven Kommentaren zeigen wir, dass im Netz freundlich und ohne Hass und Hetze kommuniziert werden kann.

Dagmar Krauße
Wir sind sichtbar. In unserem Netzwerk bringen wir all die zusammen, die gemeinsam für Vielfalt, Respekt und demokratische Werte einstehen.

Anna-Lena von Hodenberg
Wir helfen. Wir unterstützen Betroffene von digitaler Gewalt dabei, ihre Rechte im Netz durchzusetzen und bieten schnelle und wirkungsvolle Hilfe, um sich gegen den Hass zu wehren. Das machen wir unter anderem mit unserem bundesweiten Beratungsangebot, aber auch mit den Melde-Helden. Mit dieser App kann man digitale Gewalt und Hass im Netz schnell und einfach melden.

Dr. Benjamin Krause
Wir klären auf. Als Internet-Staatsanwälte prüfen wir Hasskommentare auf strafrechtliche Relevanz und schon jetzt können wir auf über 2.000 eingeleitete Ermittlungsverfahren zurückblicken, in denen wir über 700 Tatverdächtige identifiziert haben.

Eva Kühne-Hörmann
Beleidigung, Nötigung oder Volksverhetzung – das sind Straftaten, gegen die man sich wehren kann. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Hass und Hetze im Netz keinen Platz haben. Aus Worten dürfen keine Taten werden.

Off-Sprecherin
Mach dich stark – für dich und andere. Gemeinsam gegen Hate Speech im Netz. Keine Macht dem Hass!

(Einspieler Ende)

Ute Wellstein (Moderatorin)
Ja, und einige der Menschen, die sie da eben im Film sehen konnten, die sind jetzt hier, um darüber zu debattieren. Fake News, Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung: Welche Verantwortung haben eigentlich die Medien in der Gesellschaft, damit der Hass keine Macht erlangt? Darüber wollen wir reden mit Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, kurz: ZIT. Guten Tag, Herr Krause. Mit der hessischen Ministerin für Justiz, Eva Kühne-Hörmann. Hallo. Joachim Becker, der Direktor der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und Neue Medien, ist uns aus Kassel zugeschaltet. Hallo Herr Becker. Hier vor Ort sind außerdem Marco Maier, der Geschäftsführer von Radio Tele FFH. Herr Maier, guten Tag. Der Intendant – nein, nicht der Intendant, der kommt nachher. Michael Sasse, den wollen wir zuerst vorstellen, der ist uns auch zugeschaltet, das ist der Sprecher der Initiative „Offen für Vielfalt, geschlossen gegen Ausgrenzung“. Hallo Herr Sasse, auch aus Kassel. Und jetzt, last but not least, der Intendant des Hessischen Rundfunks, Manfred Krupp. Herzlich willkommen!

Frau Kühne-Hörmann, Sie haben diese Kooperation ins Leben gerufen, #KeineMachtdemHass. Das ist ein Zusammenschluss von Medienanstalten, von zivilgesellschaftlichen Initiativen, auf Initiative des Justizministeriums. Wie kam es dazu? Gab es einen Moment, der für Sie so der Auslöser war, wo Sie besonders schockiert waren und gesagt haben: Da muss jetzt was passieren!?

Eva Kühne-Hörmann
Ja, den gab es. Wir wussten, ich bin im engen Kontakt mit den Staatsanwälten der ZIT, auch mit Herrn Dr. Krause und habe eigentlich in den letzten Jahren meiner Tätigkeit immer wieder bewusst mir sagen lassen: Was ist in der Praxis eigentlich los? Und bei der ZIT haben alle gesagt, welche Bereiche nehmen zu und welche ab. Dass Hass so zunehmen würde, war ein neues Phänomen. Auch vor der Pandemie schon. Und dann haben alle gesagt: Wir haben so viel Hass im Netz, wir müssen jetzt einen Schwerpunkt bilden. Das war klar. Und wir können, jedenfalls von Seiten der Staatsanwaltschaft, nicht das ganze Netz durchkämmen. Und dann geschah der Mord an Walter Lübcke, dem Regierungspräsidenten von Kassel, der ja alle tief schockiert hat. Ich war mit ihm eng befreundet, also auch mich persönlich ganz besonders. Und wir wussten, dass in der Nacht Hass-Kommentare und schon davor so im Netz unterwegs waren, wie man es eigentlich nicht glauben konnte. Und diese Kommentare, die da unterwegs waren, die haben noch mal den Ausschlag gegeben zu sagen: Wie kann man eigentlich mehr dafür sorgen, dass man im Netz sieht, was passiert, was die Ermittler dann wiederum brauchen? Das war so ein bisschen der Auslöser. Und dann habe ich einen Ballon gestartet und habe einfach gesagt: Wer weiß denn mehr? Und dann haben mir alle gesagt, Herr Dr. Krause und andere: die NGOs. Und wir haben dann eine Einladung gemacht – die Nichtregierungsorganisationen, die sich ja schon immer im Netz bewegen, um Hilfe anzubieten. Und eine Einladung in kurzer Frist, in einer Woche, hat dazu geführt, dass wir plötzlich an einem Tisch saßen und gemerkt haben: Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das war der Kern.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das klingt ja gut, so eine Kooperation, aber was kann die denn wirklich bewirken?

Eva Kühne-Hörmann
Erst mal ist sie sehr ungewöhnlich, weil die Partner, die jetzt zusammen sind – ich bin auch dankbar, dass die Medien jetzt dabei sind in so großer Zahl und FFH und der Hessische Rundfunk und auch alle Partner – jeder kommt aus einem unterschiedlichen Gebiet und jeder bringt seine Kompetenz ein und keiner soll unter dem Dach seine Eigenständigkeit verlieren, sondern den Blick auf diese Themen Hass und Hetze allein verfolgen und zusammen dann sagen: Wie können wir Hass und Hetze in den Griff kriegen? Und was das Besondere ist, dass so viele Meldungen von den Partnern eingegangen sind, über die ZIT, Herrn Dr. Krause, dass dieses Feedback – ist es strafrechtlich relevant oder nicht – wichtig war und es zu Verurteilungen gekommen ist in einer Zahl, die es vorher nicht gegeben hat, weil alle eben die richtigen Informationen zusammengetragen haben und auch Mut machen, zu melden, und nicht einfach es hinzunehmen. Viele Menschen haben den Eindruck, dass man im Netz sich was gefallen lassen muss, was man in der realen Welt sich nicht bieten lässt. Und das hat es am Ende gebracht. Das heißt, die Opfer sind in den Vordergrund getreten und nicht die Täter. Und das ist eigentlich der wesentliche Kern. Und dass die Staatsanwaltschaft rausschaut und sagt: Das ist zwar nicht relevant, aber ein Opfer fühlt sich trotzdem schlecht. Was bieten wir für Hilfe an? Und die, bei denen es strafrechtlich relevant ist, zu sagen: Wir kriegen die Täter!

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Krause, ich habe Sie in der Hessenschau gesehen, da war auch ein Film, der Ihre Arbeit gezeigt hat. Und da haben Sie gesagt: „Mir war vorher gar nicht bewusst, was für Hass es im Netz gibt, bevor ich diese Arbeit angefangen habe.“ Was hat Sie denn da am meisten erschreckt? Die Vehemenz, die Rohheit oder das Ausmaß?

Dr. Benjamin Krause
Alles ehrlich gesagt. Als ich 2009 diesen Bereich übernommen habe, bin ich da vielleicht ein bisschen blauäugig rangegangen und hatte auch so diese typische Einstellung, die man in der Justiz früher hatte: Das ist alles so Kleinkram, so ein paar Beleidigungen im Netz, oder Bedrohungen. Es ist doch nichts passiert. Und so ehrlich bin ich, so bin ich auch in diesen Bereich reingegangen. War ehrlich gesagt auch gar nicht so begeistert darüber. Aber gerade durch die Kooperation hier und durch die Gespräche mit Vertretern von Opfern und Betroffenen ist mir die Dimension erst wirklich bewusst geworden, die dieser Hass im Netz eben für die Betroffenen hat. Und dann haben wir das angepackt. Wir haben gesehen, dass es unglaubliche Massen an Hass und Hetze im Netz gibt. Und am meisten hat mich natürlich betroffen gemacht bei dem Komplex, den wir dann bearbeitet haben, Hasskommentare, zum Nachteil von Walter Lübcke, weil man da eben wirklich gesehen hat, wie im Vorfeld letztlich genau zu dieser Tat, wie sie geschehen ist, aufgerufen wurde. Und jetzt, danach, jetzt aktuell muss man sagen, es gibt keinen Tag, wo nicht beispielsweise politische Entscheidungsträger aufgrund der Corona-Politik immer wieder bedroht und beleidigt werden. Und das erschreckt mich jeden Tag aufs Neue, weil ich einfach nicht verstehen kann, wie man als Mensch so zum Mord und zu schwersten Straftaten aufrufen kann.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Wenn sie jemandem auf die Schliche kommen, der solche Sachen postet im Netz, und die damit konfrontieren, wie reagieren die Leute dann?

Dr. Benjamin Krause
Ganz unterschiedlich. Es gibt eigentlich zwei große Gruppen, die man unterscheiden kann. Die eine Gruppe, die ist ganz überrascht, dass wir dann vor der Tür stehen mit der Polizei, und die sagen dann: „Wie, wegen so ein bisschen was auf Facebook?“ Und da kann man aber tatsächlich dann etwas erreichen, indem man mit den Personen ins Gespräch kommt. Das ist auch unser Ziel. Wir wollen die Personen über die Gefahren von Hate Speech auch aufklären und wollen ihnen auch versuchen, zu erklären, wo die strafrechtlichen Grenzen liegen. Und die zweite Gruppe der Personen ist natürlich so gestrickt, dass sie sagen: „Ja, das wird man doch wohl noch sagen dürfen, wir haben Meinungsfreiheit in Deutschland!“ Und auch da sehen wir dann unseren Auftrag auch im Rahmen der Strafverfolgung darin zu zeigen: Nein, es gibt keine unbeschränkte Meinungsfreiheit, es gibt Grenzen. Und über diese Grenzen wollen wir dann auch aufklären, weil ich glaube, es ist eine sehr, sehr schwierige Abwägung: Was ist jetzt Meinungsfreiheit und was Strafrecht? Das lässt sich nur an konkreten Fällen zeigen. Und genau das wollen wir erreichen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Krupp, es ist ja durchaus ungewöhnlich, dass die Konkurrenten Radio FFH und der Hessische Rundfunk zusammenarbeiten. Also ich für meinen Teil, als HR-Moderatorin, bin zum allerersten Mal in diesem Gebäude hier und hätte bis vor kurzem nicht gedacht, dass das mal geschieht, dass ich hier eine Veranstaltung moderiere. Was hat Sie denn bewegt, diese Kooperation einzugehen? Als Chef des Hessischen Rundfunks?

Manfred Krupp
Das erste ist, es ist gut, wenn viele Partner dabei sind, weil wir erreichen Menschen, die FFH vielleicht nicht so gut erreicht, aber FFH hat eine große Reichweite und je größer die Reichweite ist, desto besser für so ein Projekt. Wir haben uns mit Frau Kühne-Hörmann das erste Mal am Frankfurter Flughafen über die erste Idee unterhalten, und dann haben wir überlegt: Was kann man machen? Und für mich war ganz, ganz wichtig die Mischung der Partner, dass nämlich Basisorganisationen dabei sind, die Alltagserfahrungen haben, die aktiv Rat anbieten können. Aber wir stehen auch für ein Wertesystem und dieses Wertesystem müssen wir leben und verteidigen. Und ich finde es gerade, was Sie eben gesagt haben, für uns extrem spannend. Für uns ist es elementar, Meinungsfreiheit zu verteidigen und ein Kommentar oder eine Meinung darf auch eine Schärfe haben. Aber es darf nicht das Ziel sein, andere Menschen dauerhaft herabzuwürdigen. Es darf nicht die Aufgabe sein, andere einzuschüchtern oder ihnen Angst zu machen, weil nur wenn es einen offenen, angstfreien Dialog gibt, kann es auch so was geben wie Öffentlichkeit und kann ein politischer Prozess und auch ein Meinungsbildungsprozess entstehen, Und deswegen sind wir als Medium mit dabei.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Gab es denn für Sie auch mal das eine Erlebnis, wo Sie gesagt haben: Das kriegt jetzt eine ganz andere Dimension, jetzt muss man dagegen was tun?

Manfred Krupp
Also es gab nicht das eine Erlebnis, aber es gab viele Erlebnisse. Also ich zum Beispiel bin immer wieder Gegenstand von Äußerungen von Reichsbürgern, die überhaupt bestreiten, dass irgendjemand ihnen was zu sagen hätte. Also ich weiß nicht, wie viele Strafbefehle ich schon von Reichsbürgern gekriegt habe. Und wenn man die Tonalität mitkriegt, dann kann einem das schon manchmal Angst machen. Aber wir hatten auch vor einiger Zeit eine Situation, wo ein Moderator permanent angegriffen wurde, und wir haben ihn dann unterstützt, Strafanzeige zu stellen. Und der Mensch, der das getan hat, in übelster Art und Weise, war vollkommen überrascht, als auf einmal die Polizei vor seiner Tür stand. Und es hat zumindest ein Nachdenken ausgelöst. Und das ist ja der erste Schritt, möglicherweise Verhalten ändern zu können. Und wir kriegen es natürlich in der Debatte jetzt mit. Wir hatten in Kassel eine Demonstration gegen die Corona-Regeln, wo Kamerateams, Reporter von uns, tätlich angegriffen worden sind. Das zeigt: Es gibt so eine Stufe. Ein Korn wird gesät von Hass, anonym im Netz, und es endet nachher mit Gewalt oder sogar, wie bei Walter Lübcke, mit Mord. Und diese Kette, die muss man durchbrechen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
…dass aus Worten Taten werden.

Manfred Krupp
Ja.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Maier, was können denn Medien wie FFH gegen Hass und Hetze tun?

Marco Maier
Zunächst freuen wir uns, dass diese Allianz so breit ist. Das muss ich auch noch mal betonen. Wir haben, glaube ich, keine zwei Tage überlegt, als wir das erste Mal über das Thema gesprochen haben, uns direkt vereinbart, dass wir da mitarbeiten. Und ich habe auch früh gesagt, dass hier mehr Medienpartner, auch der Hessische Rundfunk, dabei sein kann. Viel besser ist es, weil die Kraft der Reichweite, und da sind wir beim Casus knacksus, die Kraft der Reichweite ist das, was wir einbringen können. Wir können die Zivilgesellschaften, die sich darum schon gekümmert haben, unterstützen, in denen wir das Thema viel breiter streuen, indem wir unsere Zielgruppen bespielen. Und ich glaube, gemeinsam jetzt nur auf den Hörfunk und Fernsehen bezogen, erreichen wir in Hessen fast alle Menschen mit den beiden Medienhäusern. Und dazu kommen ja auch noch Zeitungsverlage und andere Partner. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Medien da auch ein stückweit Flagge zeigen. Und – und ein Hauptgrund, weshalb wir von vornherein eine feste Überzeugung hatten, dass wir uns engagieren müssen, ist: Wir sind glasklar Opfer von Hass und Hetze im Netz. Unsere Reporter, unsere Moderatoren, gerade bei kritischen Themen, die, die wir ja nun mal alle haben, egal ob das jetzt Verschwörungstheorien rund ums Impfen sind oder die Migrationspolitik der Bundesregierung im Vorfeld, egal bei welchen Themen, bei trivialen Themen, bei Rücktritt von oder bei einem Ausscheiden von einem Trainer von Eintracht Frankfurt oder bei ganz einfachen Themen, wie beispielsweise Radio übertragen werden soll, lieber UKW oder DAB+. Man kann es nicht sich vorstellen, aber unter diesen Timelines findet man Bösartigkeiten. Man findet Leute, die einfach ihre Meinung in einer infamen Art und Weise weitergeben, und da auch angreifen. Wir haben hier stetig Leute am Hörertelefon und am Service, die sich mit nichts anderem beschäftigen als in diesen Kommentarspalten aufzupassen, dass die Grenzen nicht überschritten werden, respektive da auch einzugreifen, insbesondere wenn bilaterale Angriffe dort drin vorkommen. Und gerade das, was unsere Moderatorinnen, Moderatoren, aber auch unsere Reporter da erleben, das hat uns noch mal bekräftigt, dass es uns wirklich wichtig ist. Vielleicht können wir, weil wir es gewohnt sind, ein bisschen besser damit umgehen und vielleicht es ein bisschen besser einschätzen, einsortieren. Aber man kann sich sehr, sehr gut vorstellen, wie hart das Privatpersonen trifft, wenn sie eine solche Beleidigungsorgie bis hin zu Drohungen dann lesen muss, über sich selbst, und einfach damit nichts anzufangen weiß, nicht damit klarkommt und schlussendlich Angst bekommt, was ja auch das Ziel dieser Drohungen ist.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das lässt wohl keinen kalt, so beschimpft zu werden, selbst Medienprofis nicht.

Marco Maier
Absolut.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Becker in Kassel, die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und Neue Medien vermittelt Kindern und Jugendlichen Kompetenzen im Umgang mit Medien und mit elektronischen Medien und setzt auf Prävention. Wie können Sie denn Kinder für das Thema Hass und Hetze im Netz sensibilisieren?

Joachim Becker
Das ist im Grunde genommen ganz einfach: Wir leisten Vorbeugung und bieten die Vorbeugung eben auch an und als eine klassische Regulierungsbehörde, würde ich das mal bezeichnen, beschäftigen wir uns ja schon seit geraumer Zeit mit diesen Phänomenen. Wir sind ja, sie haben es ja gerade gesagt, wir haben es ja schon im Namen. Wir sind ja nicht nur zuständig für die Aufsicht über private Rundfunkveranstalter zu Hörfunk und Fernsehen, sondern seit über 15 Jahren natürlich auch für – damals hieß es noch Mediendienste – heute Telemedien. Und das, was ich auf der Ebene der Telemedien in der Zwischenzeit abspielt, beschreibt genau das, was das Podium gerade geschildert hat. Das hat sich in den letzten Jahren natürlich unglaublich verändert. Und da spielt natürlich Hass eine ganz entscheidende Rolle. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen: Also im Grunde genommen, unsere Arbeit besteht ja aus zwei Säulen der Regulierung, nämlich einmal, ähnlich wie das die Staatsanwaltschaften auch haben, nämlich ein klassisches repressives Einschalten. Das heißt also, wir fangen ganz locker mit einem Hinweis an, das kann eine Beanstandung sein, aber eben auch ein Bußgeld. Nur bei Kindern und Jugendlichen können sie mit diesen Instrumenten ja nichts anfangen. Sei es also ein Bußgeldbescheid gegenüber einem Zwölfjährigen. Das bringt nicht viel, aber das ist genau die Zielgruppe. Und wenn man davon ausgeht, dass im Grunde genommen die digitale Volljährigkeit etwa bei zehn Jahren anfängt und etwa die Zehn- bis Zwölfjährigen in unserer Bevölkerung nutzen zu 90 Prozent das Internet, haben eigene Smartphones. Und auch die rezipieren ja nicht nur, sondern sie fungieren als Sender. Sie treten auf als Influencer, auch wenn sie möglicherweise unter 16 Jahren alt sind. Und so weiter es weiter fortgeschritten ist, nimmt es immer mehr in Anspruch. Und dazu bedarf es natürlich – wir haben es auch in den Einspielern gesehen – gewisser Spielregeln. Wenn ich mich an einem öffentlichen Diskurs beteilige und das tun die, dann muss ich bestimmte Konventionen einhalten der Kommunikation. Und dafür gibt es Spielregeln. Und wir versuchen mit bestimmten Projekten seit vielen, vielen Jahren, die wir koordinieren, die Medienanstalt...

Ute Wellstein (Moderatorin)
Warten Sie mal. Anschaulich für uns: Wie sieht da so ein Projekt aus? Wie sieht so ein Kurs aus, der sich an Jugendliche und Kinder richtet? Was machen Sie da?

Joachim Becker
Also wir haben beispielsweise Projekte, die versuchen, die inhaltliche Kompetenz der Jugendlichen zu schärfen. Das heißt also... und vor allen Dingen der Kinder zu schärfen. Es geht nicht um technische Bedienkompetenz dabei.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das können die meistens ganz gut.

Joachim Becker
Das können die in der Regel besser. Das ist nicht die Aufgabe, sondern es geht im Großen und Ganzen darum, einem ein gesteigertes Kommunikations-, aber auch Interaktionsrisiko deutlich zu machen. Das heißt, Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren, was sie im Netz selbst tun dürfen, aber auch wenn sie mit bestimmten Phänomenen wie etwa Hass und Hetze konfrontiert werden. Das hat zunächst mal ganz harmlos in Anführungsstrichen angefangen mit Projekten gegen Cybermobbing, insbesondere in der Schule. Dort wurde allerdings nicht Kommunikationskompetenz vermittelt, sondern eher soziale Kompetenz. Solche Projekte werden nach wie vor noch angeboten, mittlerweile aber auch zunehmend eben Projekte, die die inhaltliche Kompetenz schärfen. Und die haben in der Regel drei Module, nämlich einmal ein Projekt, was unmittelbar die Kinder und Jugendlichen adressiert. Aber dazu bedarf es ja auch noch jemanden, den, die den Kindern das auch noch beibringen. Das sind in der Regel Erzieher, aber auch Lehrerinnen und Lehrer, das heißt also auch ein Fortbildungsmodul ist mit dabei. Und last but not least natürlich auch das Elternhaus. Das heißt, wir adressieren natürlich auch die Eltern bis hin zu den Großeltern.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Also da haben sie ja ein ganz breites Feld zu beackern.

Joachim Becker
Das ist insgesamt relativ breites, breites Feld und es geht schlicht und ergreifend darum, diese präventive Arbeit zu leisten. Und das gelingt bei Kindern und Jugendlichen im Großen und Ganzen ganz gut. Wir müssen allerdings viel, viel stärker darauf achten, dass wir noch stärker in die Fläche reinkommen. Mit den Schulen funktioniert das wunderbar. Das beginnt aber auch schon in den Kindergärten und natürlich auch in der außerschulischen, im außerschulischen Bereich. Das heißt, wir adressieren natürlich auch Vereine und Verbände. Und versuchen mit denen auch Kooperationen zu schließen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das ist ein ganz gutes Stichwort, weil Michael Sasse ist ja auch bei uns der Sprecher der Initiative Offen für Vielfalt, in der ein Netzwerk, in der viele Organisationen drin, in dem viele Organisationen drin sind, aber auch Unternehmen. Wir haben ja eben darüber geredet, wie aus den Worten Taten werden. Was sagen Ihnen denn die Unternehmen, die bei Ihnen mitmachen? Spiegelt sich das auch so im Betriebsalltag wieder, was ich so im Netz tut?

Michael Sasse
Nicht eins zu eins. Ich glaube, in Unternehmen ist es noch ein bisschen was anders, da gibt es eher so Vorformen. Ich sag mal so Sexismus, Rassismus, Beleidigung, aber Hass und Hetze wird jetzt nicht per E-Mail dem Kollegen digital übertragen. Das findet dann immer noch sehr stark analog statt. Wir haben ein Mitgliedsunternehmen, das zum Beispiel Produktionen, große Produktionsbetriebe hat. Da findet man das ganz klassisch an den Toilettentüren, also da finden sie Hass und Hetze an den Toilettentüren, ja. So wie früher muss man sich das vorstellen. Und die Jugend- und Auszubildenden-Vertretung nimmt also regelmäßig zweimal im Monat Farbe in die Hand und streicht alle Toilettentüren von innen neu. Also Hass und Hetze finden Sie dann noch sehr analog, nicht so sehr digital. Aber, und das ist vielleicht ganz interessant, wir haben mit fünf großen Arbeitgebern in Nordhessen, also Mercedes, SMA, Wintershall, DEA und auch vielen kleinen, kleineren Unternehmen, also für Mitarbeiter, 160.000 Mitarbeiter eine Muster-Betriebsvereinbarung entwickelt. Nennt sich Partnerschaft am Arbeitsplatz. Klingt nicht so spektakulär, aber es ist genau das, was es ist. Das regelt die Form der Zusammenarbeit, wie man zusammenarbeitet, was man tut und was man am Arbeitsplatz nicht tut. Und diese Betriebsvereinbarungen haben die Arbeitgeber mit den Betriebsräten gleichlautend vereinbart für 160.000 Menschen. Und wir haben angefangen und haben auf Basis dieser Betriebsvereinbarung dann intern bei zwei Arbeitgebern, bei zwei großen Arbeitgebern, Schulungen angeboten zum Thema Soziale Medien, also Umgang mit Sozialen Medien. Wie bewegt man sich dort? Lief unter dem Stichwort „Mit Rechten reden“ oder mit Schwurblern und Aluhüten reden? Und das war sehr, sehr spannend. Es war also extrem große Nachfrage, gar nicht so sehr aus einem dienstlichen Interesse, sondern aus einem privaten Interesse, weil sich viele privat in den sozialen Medien bewegen und auch durchaus mal posten oder kommentieren und einfach Hilfestellung haben wollten. Genau zu diesem Thema „Wie gehe ich damit um, wenn mir Hass und Hetze im Netz in meinem privaten Umfeld entgegenschlägt?“ Und da haben wir ein Angebot entwickelt, wo wir mit Trainern so eine Art Rollenspiel machen. Das heißt: Wo zu den klassischen Themen Dinge gechattet werden in diesen Trainingssessions und man dann darauf antwortet und anschließend mit einem Moderator, mit Mediator, dann diese Sachen durchgeht. Und fester Bestandteil ist natürlich auch auf die Melde-App und auch auf die Plattformen hinzuweisen, damit nicht Reden Silber ist und Handeln Gold wird. Also dass man sozusagen auch aktiv sich wehren kann für den Fall, dass einem Hass und Hetze entgegenschlägt. Also dass vielleicht so ein bisschen so als Einblick.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Und das ist auf Resonanz gestoßen? Sie haben da offenbar ein Bedürfnis?

Michael Sasse
Absolut, absolut. Und deswegen, ich glaube, das ist nicht nur ein Thema für junge Leute. Natürlich gehört eigentlich diese Melde-App und auch die Plattform und eine Befähigung für Kommunikation und auch sozusagen sich gegen falsche Kommunikation zu wehren, eigentlich zur Schulausbildung. Also das müsste vom Prinzip an jeder hessischen Schule fester Bestandteil im Schulunterricht sein, dass man sozusagen Informationen darüber bekommt, wie man sich aktiv dagegen wehren kann. Aber ich glaube, dass insbesondere auch viele ältere Menschen 18, 25 aufwärts, also auch im Netz bei Facebook als Beispiel, ist ja ein Medium, das ja gar nicht mehr so jung ist, unterwegs sind. Und dass gerade auch diejenigen, die man über Schule und Studium gar nicht mehr erreicht, die im Berufsleben stehen, dass die erreicht werden, die in Vereinen engagiert sind, die in der Kommunalpolitik engagiert sind, die soziale Medien auch nutzen, um für ihre Position zu werben, um auf Themen aufmerksam zu machen. Dass wir also auch diese Zielgruppe ganz bewusst erreichen. Und ich glaube, das geht über Gewerkschaften und das geht über Arbeitgeber.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das geben wir mal der Justizministerin mit. Das kann die vielleicht im Kabinett mal vorschlagen, dass das Bestandteil des Schul-Curriculums in Hessen wird. Es war jetzt schon ein paar Mal die Rede davon, dass Reporter auch zunehmend angegriffen werden, nicht nur mit Hass überschüttet werden, sondern auch tätlich angegriffen werden. Wir haben dafür ein paar Bilder mitgebracht, die von einer Demonstration der sogenannten Querdenker aus Kassel stammen. Da sind die Reporterteams des Hessischen Rundfunks tatsächlich massiv angegangen worden. Das war im März.

(Einspieler)
Ute Wellstein
Ja, Herr Krupp, Sie waren selbst als Journalist früher viel unterwegs und bestimmt auch bei emotional aufwühlenden Situationen. Haben Sie dieses Ausmaß an Hass und Angriffen auch schon erlebt?

Manfred Krupp
Nicht bei einer Berichterstattung, aber ich weiß, als ich Studienleiter in Wiesbaden war, haben wir mal über ein Thema berichtet und dann kriegten wir mehrere Wochen lang jeden Tag, jede Woche ein Paket. Und in dem war benutztes Toilettenpapier. Und wenn Sie das aufmachen, das lässt einen nicht unberührt. Und so ist es, glaube ich, jetzt auch teilweise verbal, dass Leute einfach erst mal geschockt sind, dass man nicht weiß, wie soll man mit der Situation umgehen. Und wir haben natürlich auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Kassel gesprochen. Wie geht man überhaupt mit so einer Situation um? Wir haben Erlebnisse gehabt. Ich war bei einer Intendanten-Tagung in Leipzig gewesen, wo wir ein Treffen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten hatten und wir mussten durch die Hintertür reingeschleust werden, weil vorne Demonstranten standen, die jeden angegriffen haben, der nach Medien aussah. Beim MDR ist es inzwischen so, dass bei vielen Dreh-Terminen die ohne einen Sicherheitsdienst nicht mehr rausfahren können. Und das ist eine massive Gefährdung der Meinungsfreiheit und der umfassenden Berichterstattung.

Ute Wellstein (Moderatorin)
In Kassel war übrigens bei dem Team auch schon Sicherheit dabei und...

Manfred Krupp
... und trotzdem ist es passiert. Und wir haben die andere Ebene, dass wir ja auch Facebook, Twitter, Instagram bedienen. Und wir betreuen unsere Kolleginnen und Kollegen im Alltag bei der Art und Weise, wie gehen Sie damit um, dass Sie... auf einmal schreibt jemand: „Denk an Charlie Hebdo.“ Was heißen soll: „Wenn du so weitermachst, dann musst du um dein Leben fürchten.“ Und da kann man sagen, was man will. Es ist erstmal eine Äußerung, aber das nimmt jemand mit abends nach Hause, das nimmt jemand mit, morgens zum Frühstück. Und deswegen müssen wir auch selber Kolleginnen und Kollegen ertüchtigen, damit umzugehen. Wir müssen Menschen ertüchtigen zu sagen: „Nein.“ Und selbst kleinere Sachen bleiben eben haften. Wir haben eine sehr unterschiedliche Reaktion gehabt auf die Berichterstattung im Dannenröder Forst. Und es gab dann einen ehemaligen hessischen Minister, der gepostet hat, ich sei der inkompetenteste Mensch, den es überhaupt gibt, solle zurücktreten und und und. Ich will nicht alles aufzählen. Das war, sagen wir mal, extrem scharfe Schmähkritik, aber vielleicht noch kein Hass. Und ich habe das einfach so gemacht: Ich bin bei mir in die Gremien gegangen, habe das vorgelesen und habe gesagt, ich möchte jetzt gerne eine offene Diskussion dazu haben. Das heißt, nicht einfach erdulden, sondern aktiv werden, sich damit auseinandersetzen. Und die letzte Stufe, wenn es dann wirklich Hass und Gewalt ist, muss auch sein, dass es Strafverfolgungswirkung hat. Und deswegen finde ich es so gut, dass wir gemeinsam das Thema angehen, weil wir können kommunizieren. Da kann man sich hinwenden und wir können vielleicht bei der nächsten Demonstration Menschen motivieren zu sagen: „Halt, so geht es nicht, wir wollen nicht dazugehören.“

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Maier, Sie haben eben geschildert, dass es Ihren Moderatoren und Reportern zum Teil auch so geht. Was löst das bei denen aus und führt das dazu, dass die vielleicht nicht mehr so offen berichten, dass da eine innere Schere im Kopf ist, weil man Angst hat, dass man den nächsten Shitstorm auslöst?

Marco Maier
Also das, was wir da sehen, das sind Bilder, die einen einfach nur erschrecken und die einem ein Stück weit auch Angst und Bange machen im ersten Moment, weil man genau weiß, dass man „seine Leute“ in Anführungszeichen genau dahin schickt, wo sowas wieder passieren kann. Und das sind ja Termine, auf die können wir ja nicht verzichten, weil dann ist ja genau erreicht, was möglicherweise erreicht werden soll. Es ist für mich auch noch mal eine andere Ebene. Hass und Hetze im Netz, da ist der Schutz, ich sitze hinter einem Bildschirm, ich tippe etwas auf einer Tastatur. Das, was wir da gesehen haben, sind tätliche Angriffe. Jede Grenze ist überschritten. Es geht faktisch um Gewalt gegenüber den Medien, egal ob verbal oder sogar körperliche Gewalt. Also so extreme Situationen haben wir bisher keine erlebt. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind da aber auch im Austausch. Also wir sprechen regelmäßig miteinander. Wir bereiten uns auf solche Termine auch etwas anders vor oder besser vor. Und wir haben natürlich die Maxime, wir berichten sehr, sehr klar und ohne in irgendeiner Form darauf Rücksicht zu nehmen, dass wir da möglicherweise in die Kritik geraten können. Aber man muss ehrlicherweise sagen, natürlich geht man dann möglicherweise einen Schritt zurück und zwar rein physisch einen Schritt zurück, um einer solchen Konfrontation nicht ausgeliefert zu sein. Und ich sage mal, das ist natürlich ein... wenn du dann das Mikrofon mit dem Sendernamen in Richtung Publikum hältst, dann ist natürlich klar oder beziehungsweise, dann weißt du, dass du damit provozieren kannst und am Ende kann das wieder zu einem solchen Ausbruch führen. Ich glaube, dass wir extrem gut in den Häusern aufpassen müssen, dass wir uns davon nicht zu sehr beeinflussen lassen. Es gehört zu unserer Aufgabe, kritische Dinge zu berichten. Es gehört zu unserer Aufgabe, Dinge einzuschätzen, in letzter Konsequenz zu analysieren und einfach so darzustellen, wie sie tatsächlich sind. Und es ist ganz, ganz wichtig, dass wir diesem Lügenvorwurf, diese Fake-News-Vorwürfe, dass wir die entkräften und durch stetige Arbeit und auch draußen durch stetiges Präsent sein bei solchen Terminen mit guter qualitativer Berichterstattung einfach entgegenwirken. Am Ende ist es aber ein Mensch, der da an dem Tag weiß, „Hey, heute Mittag muss ich auf die Demonstration.“ Es ist Samstag früh. Ich sitze vielleicht mit meiner Familie noch beim Kaffee. Ich bin gespannt, was heute passiert. Ich kann mir sehr, sehr gut vorstellen, dass der ganze Tag von einem mulmigen Gefühl begleitet ist. Und wir hoffen natürlich zum einen, dass die Sicherheit immer gewährleistet ist und dass unseren Kolleginnen und Kollegen da nicht wirklich etwas passiert. Gleichermaßen haben wir aber die Aufgabe – und die nehmen wir sehr ernst – dass wir trotzdem diese Berichterstattung genau bis zu dem Punkt weitergehen, wo wir sie sonst auch gemacht hätten. Es darf uns nicht beeinflussen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Frau Kühne-Hörmann, das ist ja jetzt kein Selbstzweck. Wenn die Presse sich nicht mehr frei fühlt zu berichten oder sich eingeschüchtert fühlt, dann geht das ja an die Grundfesten der Demokratie, weil die Presse- und Meinungsfreiheit konstituierend ist für unser Gemeinwesen. Wie schützen Sie Reporter und Reporterinnen und Journalisten?

Eva Kühne-Hörmann
Also die Bilder, die lassen einen nicht kalt, sondern die erschrecken einen mehr und mehr. Ich habe es ja nicht zum ersten Mal sozusagen gesehen, aber nicht in dieser Breite muss man sagen, was ich in der Berichterstattung mitbekommen habe. Und es ist ja auch bekannt, dass insbesondere diese Szene ganz bewusst möchte, dass die Presse nicht berichtet, um eigentlich diese Transparenz, was sich da wirklich abspielt, nicht hinzubekommen, weil das würde ja viele überzeugen zu sagen, was sich da eigentlich abspielt. Also es ist ja klar, wir können nicht mehr alles sagen. So, diese Nummern laufen ja, ich will zunächst mal sagen, der Schutz durch die Polizeikräfte bei solchen Demonstrationen muss gewährleistet sein. Nun ist das auch immer ein schwieriges Phänomen. Ich komme ja aus Kassel und habe an dem Tag gesehen, wie sich diese Demonstration entwickelt hat. Ich habe so was noch nie gesehen, obwohl ich mehrere Demonstrationen schon gesehen habe. Dass so gesteuert aus vielen Richtungen plötzlich auf die Bereiche, wo gar keine Zulassung bestand, die Menschen geströmt sind und das auch organisiert war. Also das heißt, das ist von staatlichen Behörden schwierig. Wir haben ja jetzt am kommenden Samstag wieder eine Anmeldung gehabt zu einer solchen Demonstration. Da ist jedenfalls das, was ich jetzt weiß aus erster Instanz das verboten worden. Und das ist jetzt in der nächsten Instanz, nach den Erfahrungen jetzt auch. Ich will nur damit sagen, die Sicherheitskräfte müssen das gewährleisten, dass auch die Journalisten arbeiten können, das ist das erste. Das zweite, der Unterschied zu Hass und Hetze im Netz ist ja, es gibt eine reale Tat, die da erfolgt. Also hier waren ja auch tätliche Angriffe, diese tätlichen Angriffe, da müssen wir nicht drüber diskutieren. Das kann Herr Dr. Krause noch mal selber sagen. Die sind natürlich strafrechtlich relevant. Und wenn die Filmaufnahmen auch noch so gut sind, dass man die Täter vom Gesicht identifizieren kann und die Bildqualität so gut ist, dass da auch kein Zweifel besteht, dann wäre der nächste Schritt in der Kooperation zu sagen, dass dieses Bildmaterial der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt wird und versucht wird, an die Identität der Täter zu kommen und es eben nicht laufen zu lassen. Und ich finde sehr gut, Herr Krupp und Herr Maier, Sie haben ja gesagt, wir stehen hinter den Mitarbeitern, wir besprechen das, wir bieten Hilfe an und vor allen Dingen ist das große Thema, wenn es jetzt nicht um tätliche Angriffe zum Beispiel geht, dass ein Strafantrag gestellt werden muss. Ich trete dafür ein, dass im Netz, wo man es nicht sieht, dieser Strafantrag nicht unbedingt erforderlich ist, sondern dass die Staatsanwaltschaft so ermitteln kann von Amts wegen. Das würde viele, die sich nicht trauen, das zu machen, jedenfalls ein Stück die Verantwortung abnehmen bei solchen Sachen, wo man sagt, das geht jetzt gar nicht. Bei diesen Themen, die wir eben gesehen haben, besteht aber die Möglichkeit, mit dem Videomaterial, was sie so klar zur Verfügung haben, als Beweismittel mit der Staatsanwaltschaft in den Diskurs zu treten. In der Regel sind das Leute, die das nicht nur einmal machen. Und deshalb ist die Chance eigentlich groß, dass man an die Identität kommt, fast besser als im Netz mit den Möglichkeiten, die man zur Verfügung hat. Und insofern muss die Absprache zwischen Polizei, den Behörden, sozusagen den Staatsanwaltschaften und den Medien so eng sein, dass man sagt, wir geben jetzt das Material weiter und bearbeiten das und versuchen dann auch daraus, ja Ermittlungsverfahren hinzubekommen und dieses Stoppsignal zu setzen. Dass das nicht nur unanständig ist, sondern dass es strafrechtlich relevant ist und dafür auch eine Strafe am Ende herauskommen kann. Und ich glaube, diese Kommunikation muss man haben. Und es gibt viele Demonstrationen, bei denen auch die Polizei Aufnahmen gemacht hat, die aber, sagen wir mal, nicht so zuordenbar sind, wie das jetzt auf ihren Aufnahmen der Fall ist, weil das natürlich noch viel mehr Massen sind.

Manfred Krupp
Das ist ein Thema, was uns schon sehr lange beschäftigt. Es ist ganz klar, wenn es Straftaten sind, die gegen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternommen werden, dass man dann auch das nicht einfach vorbeigehen lassen kann. Aber ich kann mich erinnern an... Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte. Als die Europäische Zentralbank eröffnet wurde, war in Frankfurt ein Ausnahmezustand und es war extrem viel Polizei und dort wurden auch Teams von uns angegriffen. Nicht körperlich, aber nach dem Motto: „Ihr seid ja Teil des Polizeistaates.“ Und deswegen haben wir eine sehr, sehr hohe Hürde, Bildmaterial für andere Zwecke zu verwenden als für Berichterstattung. Das muss man einfach sehen, weil wir sind keine Hilfsorganisation der Strafverfolgung. Deswegen kann manchmal ein sehr, sehr guter Weg sein, dass wir Dinge veröffentlichen in unserem Medium und dann auf dieser Basis des Materials, was wir ohnehin veröffentlichen, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten. Was wir nicht sein können, ist Hilfsorgan der Strafverfolgungsbehörden, weil dann würden wir unsere Rolle wechseln. Das wollte ich einfach mal als Beispiel... weil das hat mich damals wirklich sehr beschäftigt, wie sehr damals auch Reporterinnen und Reporter aus dem Bereich eher von Antifa angegriffen worden, weil man sie für Hilfskräfte der Polizei und der Staatsanwaltschaft hielt.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Was in der Folge die Angriffe gegen die Medien noch mehr verstärken würden, als feindlich wahrgenommen würden. Herr Krause, unsere Sorge ist ja „aus den Worten werden Taten“. Deshalb will ich noch mal zurück ins Internet. Die Angriffe gegen Medien sind erstaunlich hoch. Das Bundesinnenministerium hat gesagt, auf eine Anfrage der Grünen, 2020 gab es 252 Straftaten gegen die Medien. Nehmen Sie im selben Zeitraum auch eine Zunahme der Meldungen im Netz wahr? Nimmt das auch zu im Moment? Also gibt es da einen, kann man da sagen, da gibt es einen Zusammenhang oder eine ähnliche Entwicklung?

Dr. Benjamin Krause
Also einschränkend muss ich sagen, dass wir natürlich nicht das ganze Internet ständig überwachen und natürlich nicht alles sehen können, sondern gerade aufgrund dieser Kooperation hier von den Kooperationspartnern mit Meldungen versorgt werden. Das ist also schon eine gewisse Filterung. Deswegen kann ich nicht sagen, wir haben den großen Überblick. Aber im Rahmen dieser Meldung stellen wir natürlich auch fest, dass gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie, das zum Anlass genommen wurde, dagegen zu hetzen, dagegen hasserfüllt zu reden. Zum einen zum Nachteil der politischen Verantwortungsträger. Es vergeht also kein Tag, bei dem wir nicht Meldungen bekommen gegen die politischen Verantwortungsträger. Aber dazu dann auch – nicht in dem Maße – aber auch gegen Journalistinnen und Journalisten. Das bekommen wir auch. Insgesamt haben wir im Rahmen dieser Kooperation jetzt schon über 6000 solcher Meldungen bekommen, haben die strafrechtlich geprüft. Und ganz wichtig ist uns, und das möchte ich gerne heute auch noch mal unterstreichen, nicht alles, was jetzt hasserfüllt ist, ist auch gleich strafbar, sondern natürlich haben wir die Meinungsfreiheit und wir müssen immer abwägen, ist das jetzt noch von der Meinungsfreiheit gedeckt oder nicht? Deswegen haben wir von diesen 6000 Meldungen in 1650 Fällen ungefähr eine strafrechtliche Relevanz bejaht. Immerhin kann man sagen. Und in diesen Fällen ungefähr 500 Tatverdächtige identifiziert. Auch da könnte man wieder drüber sprechen. Das ist ja nur ein Drittel, könnte man sagen. Was ist denn mit den anderen zwei Dritteln? Da waren wir eben nicht erfolgreich. Aber das sind eben diese schwierigen Rahmenbedingungen im Internet, wo relativ einfach man seine Identität verschleiern kann. Und da wir keine wirklich gute gesetzliche Grundlage haben für eine Kooperation mit den sozialen Netzwerken Facebook und Co, haben wir oft keine Ermittlungsansätze.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Wenn Sie sagen, 500 Tatverdächtige identifiziert, so wie vielen Urteilen kam es denn dann?

Dr. Benjamin Krause
Also man muss zunächst mal sagen, das sind die 500 Tatverdächtigen bundesweit. Da Justiz Ländersache ist, werden die Verfahren gegen Beschuldigte außerhalb von Hessen dann abgegeben an die dort zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Und es waren unter zehn Prozent hessische Beschuldigte jetzt in diesem Komplex. Und da kommt es dann bei diesen hessischen Beschuldigten letztlich auch immer auf den Einzelfall an. Unsere Herangehensweise, unsere Philosophie, könnte man sagen, ist nicht in jedem Fall mit Scheuklappen quasi maximal hohe Strafen zu erreichen zu abschreckenden Wirkung, sondern wir wollen in jedem Einzelfall mit den Menschen ins Gespräch kommen. Wir wollen mit den Personen eben reden. Wir wollen von Angesicht zu Angesicht und nicht beispielsweise mit Schreiben an die Leute herantreten und wollen denen die Gefahren klar machen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Was hinter meiner Frage steckt, ist ja, läuft man Gefahr, wenn man sich im Internet so austobt, auch tatsächlich verurteilt zu werden? Oder ist das eigentlich nur eine theoretische Möglichkeit?

Dr. Benjamin Krause
Nein, nein. Also die, die identifiziert worden sind, die sind auch alle verurteilt worden. Die Frage ist nur wie? Wenn die Personen einsichtig sind, beispielsweise wenn das eine einmalige Verfehlung war, dann reicht wahrscheinlich eine kleine Geldstrafe aus. So hatten wir einige Fälle. Aber wenn Person uneinsichtig sind, das ist ja eine ganz wichtige Unterscheidung, dann gibt es auch, zumindest ist mir jetzt spontan ein Fall noch in Erinnerung, wo es dann auch Freiheitsstrafen gab, die dann zu Bewährung ausgesetzt werden. Es kommt eben darauf an, wie das so typisch ist.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Ja, lassen Sie uns doch noch mal in einer Runde darüber reden, was nun zu tun wäre. Da geht meine Frage an die zwei Medienschaffenden: Müssen wir das als Teil einer neuen Kultur hinnehmen, was sich da im Netz abspielt, Herr Maier?

Marco Maier
Nein, nein, wir dürfen das nicht hinnehmen. Es wird, es wird abgetan. Als wir ganz am Anfang unsere Kooperation bekannt gegeben haben, kriegten wir auch auf den sozialen Netzwerken Kommentare wie „Kümmert euch doch um wichtige Dinge“. Ich finde, das ist eine sehr wichtige Sache, weil es greift intensiv in die Privatsphäre von Menschen ein. Drohungen und Beschimpfungen und Hass und Hetze sind einfach kein Kavaliersdelikt. Und es darf auch nicht weiter salonfähig bleiben, denn manche Menschen oder etliche von denen, die das machen, haben das Gefühl, dass es nicht verfolgt wird und dass ich da machen kann, was ich will. Und ich glaube, es ist die Aufgabe, das nicht als trivial zu bezeichnen, sondern das als sehr wichtig und als sehr relevant zu kennzeichnen. Und da wo früher, ich glaube es ist 186 Strafgesetzbuch, Beleidigung, wenn ich mich recht erinnere, ich hatte da hin und wieder als Medienschaffender mit zu tun. Dann, wenn du das damals eben in dem verbalen Disput auf der freien Straße dahingehend hast, angezeigt oder es ist angezeigt worden, dann muss das im Internet eben auch passieren. Wir stehen ganz klar dafür, dass eine Strafverfolgung notwendig ist. Möglicherweise tut es dann ein Gespräch bei Einsichtigkeit. Es geht nicht darum, jemanden ins Gefängnis zu sperren, der mal einen über den Durst getrunken hat und ich sage mal, einen Satz reingehauen hat in die Tasten, der sich da nicht gehört. Es geht darum, dass wir klar machen, dass Menschen, die Würde des Menschen unantastbar ist, dass Drohung und Hass und Hetze einfach da nichts verloren haben und dass wir auf keinen Fall akzeptieren dürfen, dass sich das in letzter Konsequenz, sage ich mal, als normal entwickelt. Und dann möchte ich nur noch ergänzen: Ich glaube ganz dringend, dass wir zwei Ebenen haben. Zum einen junge Leute, die teilweise nur gegenüber sich selbst in der gleichen Altersgruppe agieren, so unsere Erfahrung, und die etwas Älteren, die tatsächlich dann auch diese, jetzt sag ich mal „Entgleisungen“ in Richtung der Politik und Richtung der Medien haben. Ich nehme einfach mal an, dass es tendenziell keine jungen Leute sind, die das tun, sondern von meinem Gefühl her eher etwas ältere Leute sind. Und das wird die auch unterschiedlich anpacken. Herr Becker hat schon gesagt, wie man das bei jungen Leuten machen kann. Da gilt es natürlich, die Medienkompetenz zu fördern und auch die Kompetenz in der Nachrichtenwelt zu fördern, um einfach ein besseres Verständnis zu haben für das, was in der Welt passiert. Um es möglicherweise auch besser beurteilen zu können und sich das eine oder andere Wort zu ersparen, weil man es versteht. Und bei der älteren Generation muss ganz klar sein, die müssen erkennen, das ist eine Straftat, die wird verfolgt und dazu stehen wir. Wir lassen unsere Leute dahingehend nicht beleidigen mit Hass und Hetze. Da ignorieren wir schon viel weg. Es ist nicht so, dass wir jetzt jeden Tag 25 Meldungen weitergeben. Aber dann, wenn die Grenze überschritten ist und wenn wir sagen, dass es auch wiederholt passiert, dann machen wir das auch, um ein Zeichen zu setzen. Und wir signalisieren das auch, dass wir das getan haben. Also wir stehen da gerade dafür auch ein auch öffentlich und transparent dafür ein, dass wir das eben weitergeben und dass wir da auch eine Linie gezogen haben.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Ist das in fünf oder zehn Jahren immer noch so ein Thema wie heute? Hass und Hetze im Netz?

Manfred Krupp
Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube nur, man muss doch mal eines sehen: Das Netz und soziale Medien sind eigentlich eine irre tolle Chance, sich auszutauschen, miteinander in Kontakt zu treten, neue Menschen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen. Ich bin auch aufgewachsen, wo es das Thema Brieffreundschaft gab und die Art und Weise, die Chancen der Kommunikation sind toll und sind gewaltig. Und das dürfen wir uns nicht kaputtmachen lassen. Durch Hass und Hetze, durch Rassismus, durch Niedertracht, durch Homophobie, durch Frauenfeindlichkeit. Ich habe gerade eine neue Studie gelesen, dass zwei Drittel der Opfer junge Frauen sind, die einfach daran gehindert werden sollen, ihren Lebensentwurf zu leben, indem man ihnen Angst macht. Das ist so, wie wenn man Menschen Angst macht, du kannst nachts eine Straße nicht entlang gehen. Du darfst dich jetzt nicht in soziale Medien begeben, weil du musst damit rechnen, dass du runtergemacht wirst wegen deines Aussehens, wegen deines Gewichts, wegen deiner Nationalität oder ähnliches. Und wir wollen eine offene und freie Gesellschaft. Dafür gibt es Medien und deswegen müssen wir selber in unseren Auftritten ein Wertesystem leben. Wir müssen Menschen aktiv ansprechen. Überlegt mal, was ihr da macht. Aber wir müssen auch Grenzen setzen, weil diese Freiheit im Netz müssen wir sichern.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Sasse, meine Frage an den Praktiker aus der Community von Leuten, die uns zuschauen: „Ich werde seit 18 Monaten von Hass verfolgt, weil meine Meinungen zu gewissen Themen nicht in die Agenda hineinpassen. Was kann ich tun?“ Was würden Sie jemandem raten, der Sie das fragt?

Michael Sasse
Hm. Naja. Da die nicht in die Agenda reinpassen, das finde ich jetzt, macht ein bisschen nachdenklich die Formulierung. Aber wenn jemand sagt, dass er mit Hass und Hetze verfolgt wird, weil seine Meinung nicht in die Agenda passt. Ich glaube, unsere Agenda ist so breit, dass jeder seine Meinung äußern kann, wenn er es denn in einer richtigen, angemessenen, ordentlichen Form macht. Und wenn er darauf Reaktionen bekommen, die nicht angemessen sind, also Hass und Hetze, dann genau das nutzen, genau das tun, was die Angebote machen, melden und darauf hinweisen. Und vom Prinzip auch einfach bestimmte Diskussionen und Diskurse abbrechen. Also man muss ja nicht jede Diskussion und jede Beleidigung aufnehmen, sondern man kann auch einfach mit einem kurzen Kommentar darauf hinweisen, dass man das zurückweist und dass man diese Sachen melden wird. Also ich glaube, dass... natürlich, wenn man natürlich für Positionen einsteht, dann wird man auch immer Diskussionen auslösen und bekommt auch Reaktionen, die nicht angemessen sind. Und damit muss man umgehen. Und dazu gibt es jetzt Tools und Instrumente. Vielleicht noch mal einen Satz zu Herrn Krause: Also dickes Kompliment an die Justizministerin. Das sage ich jetzt mal so genauso wie zu schnell fahren oder Trunkenheit am Steuer auch solche Sachen jetzt einfach strafrechtlich verfolgt werden von den Ermittlungsbehörden, dass das aufgegriffen wird. Worum geht es letztendlich? Es geht ja darum, dass den Raum, den wir haben, die Freiheit, die wir haben, dass wir die verteidigen. Und wenn wir diesen Raum nicht schützen, in dem wir uns bewegen, dann wird er immer kleiner und die Freiheit wird immer kleiner. Und ich glaube, dass wenn Menschen Hass und Hetze verbreiten oder noch viel schlimmer Gewalt-Kommentare, Gewaltaufrufe oder auch Morddrohungen verbreiten, dann muss sehr schnell und sehr hart ermittelt und eingegriffen werden, um Grenzen zu ziehen, um unsere Freiheit zu verteidigen. Deswegen der pädagogische Ansatz von Herrn Becker in allen Ehren. Aber ich glaube, das es ganz, ganz wichtig ist, dass die Ermittlungsbehörden, dass die Strafverfolgungsbehörden genau bei diesen Themen sozusagen sehr hart hinterhergehen, sehr schnell hinterhergehen. Wer zweimal die Polizei vor Ort gehabt hat, wer vor Gericht gestanden hat, der überlegt es sich auch, ob er so in der Form weiter kommuniziert. Denn es sind nicht nur diejenigen, die vielleicht meinen, das sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern es sind ja auch diejenigen, die diesen Hass und Hetze orchestrieren im Netz. Rechtsextreme als Beispiel, die ganz bewusst Angst und Schrecken gegen einzelne Personen verbreiten. Und dem muss Einhalt geboten werden. Und da hat auch Pädagogik eigentlich sozusagen Grenzen. Da brauchen wir einen starken Staat, der klar sagt, das wird sanktioniert, genauso wie das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole oder Hass und Hetze und Mordaufruf oder Morddrohungen in einer anderen Form. Also da brauchen wir den starken Staat. Und ich finde, dass hier Hessen ein sehr, sehr gutes Beispiel geliefert hat und einfach auch den richtigen Weg geht.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das sind ja zwei Seiten einer Medaille. Zum einen Prävention, aber auch die Strafverfolgung, wenn es denn angebracht ist. Herr Becker, Sie wurden auch gerade angesprochen. Braucht es denn mehr gesetzliche Regelungen oder kann man mit dem Regelwerk, was man hat, eigentlich die Arbeit gut erfüllen?

Joachim Becker
Aktuell können wir mit dem Regelwerk sie gut erfüllen, die Arbeit. Es geht ja nicht nur um Prävention. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Ich hatte ja vorhin schon gesagt, wir beschäftigen uns zwar mit dem Phänomen seit gut 15 Jahren, allerdings hatten wir bislang

nicht die gesetzlichen Grundlagen, um einschreiten zu können im Bereich der Repression. Das hat uns natürlich schon Schwierigkeiten gemacht. Das hat sich geändert, weil die...

Ute Wellstein (Moderatorin)
Was meinen Sie damit? Können Sie das vielleicht nochmal erklären?

Joachim Becker
Ich versuche, das zu erklären. Seit dem Inkrafttreten des neuen Medienstaatsvertrages besteht die Möglichkeit, dass auch die Medienaufsicht gegenüber allen denjenigen, die sich journalistisch, redaktionell und quasi als Laien-Journalisten betätigen. Das heißt uns, unsere YouTuber, unsere Influencer, die Blogger und auch selbst in dem Bereich findet man ja auch bestimmte Phänomene, die im Grund genommen noch nicht strafrechtlich relevant sind, aber eine Grenze überschreiten, die eine normale Kommunikation ermöglichen. Und seit Herbst letzten Jahres haben wir die Möglichkeit, auch gegenüber diesen vorzugehen, und zwar unter Beachtung journalistischer Sorgfaltspflicht. Es gilt also nun – und da sind wir momentan ja auch dabei – deutlich zu machen, dass jeder, der sich mit Smartphone und Tablet an einem öffentlichen Diskurs beteiligt und sich quasi journalistisch betätigt, auch diesen Mindeststandards journalistischer Grundsätze zu unterwerfen hat. Und das ist auch sanktionierbar. Soweit solche Organisationen, etwa Verlagshäuser und dergleichen mehr dem Deutschen Presserat angegliedert sind, wird da in dem Bereich der Deutsche Presserat zuständig. Aber es gibt unglaublich viel. Ich habe gerade eine Korrespondenz mit dem Deutschen Presserat gehabt, wo uns gesagt wird, die können nicht alle übernehmen. Das heißt also, es bleibt unglaublich viel in dem Bereich übrig, wofür die Landesmedienanstalten Sorge zu tragen haben, in Zukunft verstärkt, dass diese journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten werden.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Ja, die Grenzen sind da fließend geworden. Früher gab es Journalisten und jetzt gibt es eben jede Menge Zwischenformen.

Joachim Becker
Vielleicht würde ich einen Punkt noch einmal ansprechen an der Seite. Ein ganz wichtiger Punkt, den Herr Krause ja auch erwähnt hat: Viele Dinge, die mit Hass und Hetze zu tun haben, beginnen unterhalb einer strafrechtlich relevanten Grenze und deshalb ist es gut, genau da ansetzen zu können. Ohne – und das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal betonen – ohne sich als Meinungspolizei zu gerieren. Das ist eine echte Gratwanderung, ja. Weil im Zweifel, wenn man das nämlich nicht genau eruieren kann, wir immer für die Medienfreiheit plädieren müssen. Wir als Medienanstalten sind ja gegründet worden, um Meinungsvielfalt zu sichern, aber auch Medienfreiheiten zu gewährleisten. Und um Medienfreiheiten zu gewährleisten, gilt es eben genau diese Spielregeln einzuhalten, weil ich ansonsten diese Freiheit verspiele.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Frau Kühne-Hörmann, Sie haben...

Joachim Becker
Und wir haben eben im Moment ein völlig anderes, im Moment eine völlig andere Situation dadurch, dass sich eben breite Bevölkerungskreise an diesem öffentlichen Diskurs beteiligen können und dann eben auch dahingeführt werden müssen. Das ist wiederum eine Aufgabe, das ist eine Bildungsaufgaben auf der einen Seite für die Jüngeren, aber Herr Maier hat es ja gerade gesagt: Die größten Probleme treten ja in der Generation 50+ auf in dieser Situation. Und die zu erreichen mit präventiven Maßnahmen, ist relativ schwer und deswegen geht es dort nur mit Prävention. Und auch wir haben genau die Probleme, die die Staatsanwaltschaften haben. Wir können es fast nicht ermitteln und...

Ute Wellstein (Moderatorin)
Frau Kühne-Hörmann...

Joachim Becker
... es ist auch wichtig, genau in diesem, in dieser Kooperation mitzuarbeiten. Und ich habe sofort gesagt am Anfang, dass wir als Medienanstalt im Grunde genommen dafür prädestiniert sind, in dieser Kooperation mitzuwirken. Denn ursprünglich ist das ja sogar mal in Nordrhein-Westfalen unter dem Stichwort „Verfolgen statt nur löschen“ mal ins Leben gerufen worden. Und wenn Frau Ministerin das in Hessen nicht ins Leben gerufen hätte... Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, genau so eine Initiative zu starten. Und ich war wirklich froh, dass von Seiten des Justizministeriums, namentlich von Frau Ministerin Kühne-Hörmann, genau diese Initiative ins Leben gerufen worden ist. Und ich finde es großartig. Und ich glaube, auch das ist ein Erfolg.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Jetzt sind Sie ja ordentlich gelobt worden, Frau Kühne-Hörmann. Aber sagen Sie uns doch mal als Justizpolitikerin gibt es noch was, was Sie gerne gesetzlich verschärft hätten, verändert hätten? Sie haben eben angesprochen, viele können gar nicht identifiziert werden. Also was muss noch an gesetzlichem Regelwerk helfen?

Eva Kühne-Hörmann
Eine ganze Menge. Ich bin sehr für Prävention. Und Prävention ist auch im Justizministerium angesiedelt. Aber das, was wir da an Phänomenen haben, ist mit Prävention nicht zu machen. Ich komme jetzt mal von der anderen Seite Wir haben das Grundgesetz mit vielen Grundrechten, die da verankert sind. Das ist die Meinungsäußerung und viele Dinge mehr. Und unsere Aufgabe als Staat, Herr Krupp hat es ja vorhin gesagt, ist, die Grundrechte für jeden so durchzusetzen, dass er die Freiheit hat, die Grundrechte auch leben zu können. Die Freiheit im realen Leben. Ich nehme jetzt mal die Zeitungsverleger. Wer einen Leserbrief schreibt, muss eine Adresse angeben und seinen Namen, sonst wird es nicht veröffentlicht. Haben wir im Netz nicht. Warum kann jemand im Netz, wenn wir genau diese Freiheit nutzen wollen, ohne dass die Identität angegeben werden muss, seines Namens frei alle Leute beleidigen, was er zum Beispiel in den Kommentarspalten der Leserbriefe nicht machen kann? Wenn jemand dazu steht, dann ist ja damit umzugehen am Ende. Wir haben aber im Netz eine Freiheit, die so ausgenutzt wird, dass wir die Täter nicht kriegen. Und ich kämpfe seit sieben Jahren dafür, dass wir die Freiheiten, die ich haben möchte in der digitalen Welt... Ich will, dass wir das weiter nutzen für Prävention, für Bildungsarbeit, für alles. Aber wir als Staat haben die Aufgabe, im Netz die Freiheit auch zu gewährleisten, die jedem nach den Grundrechten zusteht. Und das können wir nicht, weil sich dort Dinge ausgebildet haben, die die Identität des Täters verschleiern. Das heißt, wir schützen die Täter und nicht die Opfer. Und ich will mal so ein Phänomen nennen, was bei Frauen eine Rolle gespielt hat. Es hat mich mehrere Jahre gekostet, um den Tatbestand des Upskirtings durchzusetzen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das ist, wenn man von unten unter einen Rock fotografiert.

Eva Kühne-Hörmann
Wenn man von unter unterm Rock von einer Rolltreppe fotografiert. Das ist all die Jahre auch von Bundesjustizministern, Vorgänger auch noch von Frau Lambrecht, als Kleinigkeit abgetan worden, dass die Opfer, denen das passiert ist, insbesondere junge Frauen von so vielen Nutzern erkannt wurden und dass im Netz immer noch vorhanden ist und nur durch diesen Tatbestand ein Stoppschild gesetzt werden konnte, dass man gesagt hat, wer da erwischt wird und wo da nachgewiesen werden kann, wer es ist, der wird dafür zur Verantwortung gezogen. Ich beschreibe damit nur, wir haben in der digitalen Welt eine Freiheit, die so zulasten der Opfer ausgenutzt werden kann, dass das dem Rechtsstaat nicht mehr entspricht. Und deswegen möchte ich, dass mehr Identifizierung der Täter möglich ist durch Marktort-Prinzip. Facebook und andere – das ist meine Forderung – sollen sich an das halten, was bei unseren rechtlichen Regelungen in Deutschland gilt. Das ist immer noch nicht umgesetzt. Ich fordere auch bei den Journalisten, die wissen ganz genau, die das auf den Querdenker-Demonstrationen machen, bis wohin sie gehen, wo es strafrechtlich nicht relevant ist. Also die Kamera wegzunehmen, irgendwo anders hinzustellen und den Part, der aufgenommen werden muss, dadurch zu verhindern. Da ist weder die Kamera kaputt noch hat es einen tätlichen Angriff gegeben. Und wir haben jetzt auf der Justizministerkonferenz von hessischer Seite eingebracht, diese Phänomene jetzt in den Blick zu nehmen, dass das auch strafrechtlich relevant ist, eine Flagge in die Kamera zu halten oder sonst irgendwie so zu behindern, dass keine Aufnahmen möglich sind, die dann veröffentlicht werden. Ich will damit sagen, wir brauchen eine digitale Agenda, die das, was wir analog haben, auch im Netz abbildet zum Schutz der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit. Und das ist unser Auftrag, dass es in unserer parlamentarischen Demokratie das, was der Staat tun muss und das ist nicht ein Nice-to-have, sondern das ist der Kern unserer Grundrechte, die jedem zustehen, auch im Netz. Und deswegen muss man, glaube ich, an Einzelbeispielen würde ich gerne weiter darauf hinweisen, dass es immer um den Schutz der Opfer geht. Und was wir machen mit allen Regelungen, schützt im Moment die Täter. Und das kann ich nicht verstehen und hinnehmen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das klingt so, als hätten sie da und hätten alle anderen noch eine Menge zu tun. Ich will, bevor wir in die Schlussrunde gehen, ein Zitat von Mark Twain vorlesen. Er schrieb einmal: „Sie schuf eine neue und wundervolle Welt und zur gleichen Zeit eine neue Hölle. Sie gab der Wahrheit Flügel und der Unwahrheit ein doppeltes Flügelpaar.“ Und da sprach er nicht etwa über die Erfindung des Internets. Das gab es damals noch nicht. Über die Erfindung des Buchdrucks hat er damals gesprochen. Also die Diskussionen kommen vermutlich mit jedem neuen Medium aufs Neue auf, wie Menschen damit umgehen und welche Gefahren darin liegen. Aber ich würde sie gerne alle noch mal wirklich in einer ganz kurzen Schlussrunde bitten, in zwei Sätzen zu sagen, wie blicken Sie in die Zukunft bei dem Thema mit Sorge, mit Zuversicht oder mit Hoffnung, Herr Maier?

Marco Maier
Ich glaube, dass wir die sozialen Netzwerke nicht zu sehr verteufeln dürfen. Das ist etwas, was aus unserem Leben mutmaßlich nicht mehr wegzudenken ist und es hilft in vielen Bereichen. Wir nutzen es als Medienbetriebe, sowohl der Hessische Rundfunk als auch FFH, sehr weitläufig und nutzen das auch zur Multiplikation. Es sind wichtige Instrumente, die heute einfach zur Kommunikation dazugehören. Ich glaube aber, dass wir Regularien brauchen. Und wir müssen die sogenannten Intermediäre, also Facebook und Twitter und Instagram und Co, wir müssen dann natürlich hinschauen und müssen die Damen und Herren, die die Verantwortung in diesen Unternehmen tragen, auch in die Verantwortung schicken für das, was in ihren Dingen passiert. So wie es ja auch bei uns der Fall wäre, wenn es bei uns eben Unregelmäßigkeiten gäbe. Und das ist der Fall. Ich glaube, dass wir einfach, wenn man nach vorne schaut, eine Situation haben werden, die möglicherweise etwas anders sich darstellt, als es heute der Fall ist. Weil ich glaube, dass der Effekt, den wir erzielen, durch das, was wir in dieser Kooperation auch bearbeiten, doch wirksam ist. Ist ja nicht so, dass Hessen das einzige Bundesland ist. Wenn man heute durch die Republik schaut, gab es heute zu diesem Aktionstag doch sehr viele Kampagnen. Ich habe welche aus Bayern, aus Thüringen gesehen, aus NRW. Und ich glaube schon, dass das eine Wirkung haben wird. Und bei jungen Leuten muss einfach die Medienpädagogik greifen. Da muss die Schule möglicherweise auch stärker in den Fokus rücken, um auch ein Stück weit klar zu machen, wo die Dinge eben enden und wo man einfach nicht mehr weitergehen kann. Ich bin grundsätzlich aber weiterhin positiv und glaube, dass wir mit diesen Dingen und ohne Verbote nach vorne gehen und es einfach nur regulatorisch begleiten müssen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Das waren aber mehr als zwei Sätze.

Marco Maier
Tut mir leid.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Krupp.

Manfred Krupp
Ich bin Optimist, weil die Erfahrung ist, wenn eine Gefahr entsteht, entsteht auch eine Gegenbewegung. Ich finde es toll, dass es so viele Nichtregierungsorganisationen gibt, die sich des Themas annehmen, die sich ehrenamtlich teilweise engagieren und das Thema auf eine breite Basis stellen. Ich finde es gut, wenn Medienkompetenzbildung als selbstverständlicher staatlicher Auftrag gesehen wird und in die Schulen kommt. Und ich glaube, dass es sehr positive Zeichen gibt. Ich will ein kleines Beispiel sagen: Bei den 14- bis 29-Jährigen ist die Sehnsucht nach Vertrauensmedien massiv gewachsen. Das kommt auch uns als Öffentlich-Rechtliche, obwohl sie uns wenig nutzen, zugute, weil die suchen Vertrauen und Zuverlässigkeit. Wir haben jetzt die Aufgabe dieses Vertrauen auch einzulösen. Und deswegen – und das gilt genauso für FFH – ist es ganz, ganz wichtig, dass wir einerseits unsere Rolle klar machen. Wir sind nicht der Staat und haben keine staatlichen Aufgaben. Aber wir haben ein Wertesystem, was wir gemeinsam verteidigen. Und wir können dieses Wertesystem prägen. Und deswegen glaube ich, dass immer, wenn es zu Ausartungen kommt, die Gegenbewegung am Ende stärker sein wird, weil sonst hat unsere Demokratie keine große Chance. Und ich glaube, dass es ein so hohes Gut ist, dass man mit allen Mitteln verteidigen und ausbauen muss.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Krause, haben Sie trotz Ihrer Arbeit als Staatsanwalt zur Verfolgung der Internetkriminalität noch ein Fünkchen Optimismus in sich?

Dr. Benjamin Krause
Ja, nicht nur ein Fünkchen, sondern viel, viel mehr. Was soll ich sagen? Ein Feuer quasi. Also ich mit absoluter Zuversicht in die Zukunft, weil ich völlig sicher bin, dass wir es schaffen werden, dass diese natürliche Hemmschwelle, die wir alle gelernt haben bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, dass man sich normalerweise eben nicht anbrüllt, dass man sich nicht einfach völlig beleidigt und hetzt, dass wir das auch lernen werden in ein paar Jahren für die Internetkommunikation, da bin ich mir ganz sicher. Und dann wird dieses Thema Hass und Hetze im Netz immer weiter abnehmen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Frau Kühne-Hörmann, ohne Optimismus wäre man wahrscheinlich nicht Politikerin, oder?

Eva Kühne-Hörmann
Ja, wahrscheinlich. Also ich bin optimistisch. Ich möchte das Internet weiter nutzen. Ich möchte aber den unabhängigen, starken sozialen, demokratischen Rechtsstaat weiter auch im Internet haben. Das ist unser Markenzeichen. Deswegen wollen die Menschen hierher. Wir genießen Freiheiten, wie es sonst kaum in anderen Ländern möglich ist. Und ich setze auf die Innovation der Internet-Staatsanwälte. Alles junge Leute, die wir da haben, die begeistert sind, da mitzuarbeiten mit dem Bundeskriminalamt zusammen, sich nämlich auch mit Technik beschäftigen und mit den Vorschriften. Und wenn diese Kooperation – da bin ich sehr dankbar für – so vielseitig bleibt und vorangeht, dann ist das eine gesellschaftliche Debatte, bei der alle aus unterschiedlichen Richtungen unsere Freiheit und unser friedliches Zusammenleben im Blick haben. Und wenn das Engagement zieht, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das alles in den Griff bekommen.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Herr Sasse, was überwiegt bei Ihnen? Sorge? Zuversicht? Hoffnung?

Michael Sasse
Ich sehe... absolute Zuversicht, absolute Zuversicht. Ich glaube, es ist wirklich so, dass man auch Etikette wieder lernen kann, auch in anderer Form, das funktioniert. Voraussetzung ist aber, glaube ich, dass wirklich alle Beteiligten auch sozusagen ihren Rollen gerecht werden. Also dass die Politik, dass die staatlichen Organe sozusagen engagiert ihren Job machen, dass Verleger sich überlegen, welche Wahlwerbung sie annehmen oder welche Wahlwerbung sie auch nicht annehmen, wenn Form und Inhalt nicht gewahrt ist. Chefredakteure sich überlegen, ob es wirklich auf jede Klickzahl bei Onlinekommunikation ankommt und manchmal einfach auch auf eine gute Schlagzeile verzichten. Ich glaube, dass gerade auch unsere Medien, auch Öffentlich-Rechtliche, sehr viel Vertrauen auch zurückgewonnen haben in den letzten Monaten, einfach auch durch eine sehr solide und faire Berichterstattung. Und auch solche Plattformen wie Twitter und Facebook, die jetzt in dieser Runde noch nicht vertreten sind, die aber auch ganz, ganz wichtig sind, die haben ja auch dazugelernt. Kurze Randbemerkung: Ich meine, ein amerikanischer Präsident ist sozusagen von den Plattformen entfernt worden, ist bei Twitter gesperrt worden. Das muss man sich auch mal vorstellen. Also es dauert vielleicht ein bisschen länger, bis dort Verantwortung so wahrgenommen wird, wie wir es uns vorstellen. Aber wenn wir genauso auch den Druck aufrechterhalten, die Anforderung aufrechterhalten, glaube ich, dann wird sich da auch einiges bewegen. Und dann werden soziale Medien ein ganz, ganz wesentlicher Bestandteil in unserem Leben sein weiterhin. Auch für die Kommunikation. Eröffnet ganz neue Formen von Partizipation und wir werden hoffentlich immer besser mit der Art und Weise, wie wir Kommunikation machen in den sozialen Medien, umgehen und nehmen da nicht nur die Jüngeren, sondern auch hoffentlich die Älteren mit.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Und Herr Becker, sehen Sie das auch so?

Joachim Becker
Ich kann da unmittelbar anschließen. Ich glaube zwar nicht, dass das gänzlich verschwindet, das wäre eine Illusion, aber ich würde meinen Job hier falsch verstehen, wenn ich sagen würde, unsere Präventionsarbeit wäre nicht erfolgreich. Denn die Generation, die wir jetzt in den Schulen, in den Vereinen, in den Verbänden schon im Kindergarten durchschleusen, da muss was hängenbleiben. Und das ist eine Bewusstseinsschulung. Und deswegen bin ich überzeugt davon, dass es um das Wort der Gegenbewegung aufzugreifen, dass genau aus diesem Bereich die Gegenbewegung auch kommen wird. Und da bin ich sehr optimistisch.

Ute Wellstein (Moderatorin)
Ich danke Ihnen allen für die angeregte Diskussion und hoffe, dass es mit dem Internet so wird, wie es dann einst mit dem Buch geworden ist, dass alle lernen damit umzugehen und Hass und Hetze, wenn sie auch nicht ganz verschwinden, wie ja zu vermuten ist, aber doch zurückgefahren werden auf ein Maß, das wir gesellschaftlich für erträglich halten. Vielen Dank Ihnen fürs Zuschauen. Und schönen Tag noch.

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