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Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Folge 4 - Die Digitalisierung der hessischen Justiz

Ingrid Richter, die Präsidentin der hessischen IT-Stelle, erklärt den Aufgabenbereich der IT-Stelle der hessischen Justiz und die wichtige Rolle dieser während der Corona-Krise.

Adina Murrer
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Podcast "Zeit für Justitia - der Justiztalk aus Hessen". Mein Name ist Adina Murrer und ich wünsche uns eine spannende Sendung. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts. Heute haben wir Frau Ingrid Richter zu Gast, die Präsidentin der IT-Stelle. Mit ihr spreche ich über die Aufgaben im Bereich der IT-Selle und welche wichtige Rolle diese während der Corona Krise eingenommen hat.

Unsere Zuhörerinnen und Zuhörer können sich sicherlich so einiges unter dem Begriff IT vorstellen. Doch wie die IT-Stelle mit der hessischen Justiz zusammenarbeitet, ist vielen sicherlich nicht ganz bekannt. Deshalb schlage ich vor, dass Sie, Frau Richter, zunächst erst einmal einen Überblick geben über den Aufgabenbereich der IT-Stelle und was es für Schnittstellen mit der hessischen Justiz tatsächlich gibt.

Ingrid Richter
Ja, liebe Frau Murrer, vielen Dank für die Gelegenheit, darüber zu sprechen. Die IT-Stelle ist schon eine besondere Justizbehörde. Sie ist weder ein Gericht noch eine Staatsanwaltschaft. Sie ist eine selbstständige Landesbehörde. Wir sind unmittelbar unterhalb des Justizministeriums angesiedelt und wir sind zuständig für die komplette Justiz-IT aller Gerichte, aller Staatsanwaltschaften und aller hessischen Justizvollzugsanstalten. Das sind rund 13 000 IT-Arbeitsplätze und für deren Arbeitsfähigkeit stehen wir. Wir versorgen sie mit Fachverfahren, damit die Gerichte und Staatsanwaltschaften arbeiten können, ihre Verfahren abarbeiten können, und wir sorgen dafür, dass sie ordentlich mit Hardware ausgestattet sind. Bei 13 000 Arbeitsplätzen ist es schon eine große Herausforderung. Wir haben ganz viele Anwendungen und Auskunftssysteme, aber die technischen Aufgaben, die haben wir ausgelagert, da haben wir den Partner "Die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung", die "HZT", die für alle Ressorts die technische Betreuung übernimmt. Wir sind also kein Rechenzentrum, aber wir sind sehr stark im First und Second Level Support für alle Anwender und Anwender in der hessischen Justiz.

Adina Murrer
Sie sind seit 2016 Präsidentin der hessischen IT. Wenn Sie einmal zurückblicken, was hat sich in den letzten vier Jahren verändert und wenn Sie an die hessische Justiz denken, inwiefern hat sich diese auch digital weiterentwickelt?

Ingrid Richter
2016 habe ich hier in der IT-Stelle angefangen. Ich war aber schon vorher, 2006, schon einmal in der IT-Stelle und ich habe den Prozess der Veränderung der hessischen Justiz sehr kontinuierlich wahrgenommen. Wir sind schon früher gut aufgestellt gewesen. Schon seit 2015 entwickelt die hessische Justiz sich sehr stark in der Digitalisierung und es hat schrittweise zugenommen. Mit 2008, Einführung der elektronischen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten, dann das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach, das Hessen sehr früh eingeführt hat und so weiter und so weiter, mit ganz vielen weiteren Verfahren und natürlich auch mit der verselbstständigten IT-Stelle. Die IT-Stelle ist eine sehr junge Behörde. Die ist ja erst 2012 gegründet worden und sie hat sich unglaublich entwickelt. Also von damals, bei Gründungsbeginn 90 Mitarbeitern hoch zu 150 Mitarbeitern, 18 davon in der gemeinsamen Bewachungsstelle der Länder, der sogenannten "Fußfessel-Zentrale", die ist bundesweit tätig und ist im Moment angesiedelt in der Außenstelle in der JVA Arbeiterstadt. Wir haben noch eine weitere Außenstelle, da sind rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kassel. Insgesamt, glaube ich, haben wir ein Verhältnis von fast 50:50, Frauen-Männer. Anfangs waren wir wesentlich mehr Justiz-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als wir jetzt sind, wir rekrutieren von Externen. Wir haben also auch viele Fachinformatiker, wir haben Diplom-Informatiker, wir haben Leute aus anderen Bereichen, die ihre Justizerfahrungen und vor allen Dingen ihre Projektmanagementerfahrungen einbringen können. Das ist ganz ganz wichtig, weil wir sind die Schnittstelle. Wir sind die Schnittstelle zwischen den Anwendungen in der Justiz und der IT-Entwicklung. Wir machen selbst keine eigenständigen Software-Entwicklung, das haben wir auch ausgelagert. Aber wir sind zuständig dafür, dass wir die IT an den Mann bringen. Wir müssen wissen, was die Mitarbeiter brauchen und das können wir zur Verfügung stellen und betreuen.

Adina Murrer
Sie haben bereits erwähnt, dass der Mitarbeiterstab sehr heterogen gestaltet ist aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenbereiche. Auch das Stichwort Projektmanagement ist gefallen. Was gibt es denn aktuell für Projekte in der IT-Stelle?

Ingrid Richter
Wir betreuen weitere Zukunftsprojekte, ganz, ganz viele einzelne Projekte, aber auch ein sehr großes Zukunftsprojekt. Das ist das sogenannte eJustice-Programm. Das basiert auf zwei Gesetzen, die 2013 und 2017 in Kraft getreten sind, die sogenannten eJustice-Gesetze. Sie heißen fachlich "Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz" und "Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz". Sie sehen, das sind zwei Komponenten, einmal der elektronische Rechtsverkehr, einmal die elektronische Akte und das sind zwei sehr große Komponenten, um die Justiz tatsächlich zu digitalisieren. Und das ist ein Mega-Zukunftsprojekt für die Justiz, für die gesamte bundesdeutsche Justiz, aber auch für die hessische Justiz. Denn wir können zwar den elektronischen Rechtsverkehr, aber die elektronische Akte, die echte elektronische Akte ohne Papier, das ist eine echte Herausforderung und das muss spätestens am 1.1.2026 laufen. Von mir aus gern früher, aber auch das ist ein sehr straffer Zeitplan, den wir da vor uns haben.

Adina Murrer
Ich möchte jetzt gerne noch über die Rolle der IT-Stelle während der Corona Krise sprechen. Wie hat sich konkret der Aufgabenbereich während der Pandemie verändert? Und gab es einige Geschäftsbereiche, in denen IT-Lösungen und neue Anwendungen besonders stark gefordert wurden?

Ingrid Richter
Justiz lebt ja von persönlichem Auftreten, von persönlichen Anhörungen, von persönlichen Vernehmungen. Der Gerichtsbetrieb ist ja den ganzen Tag durchsetzt durch Außenkontakte, durch Besuche, durch Vernehmungen, durch Verhandlungen, durch Anhörungen. Und von einem Tag auf den anderen muss man davon Abstand nehmen. Man muss erstens tatsächlich Distanz wahren, körperlichen Abstand nehmen, aber sich auch überlegen, wie man es tatsächlich vermeidet, dass dieser ständige Besucherbetrieb in der Justiz diese Ansteckungsgefahr erhöht. Andererseits muss man dem Publikum natürlich auch weiterhin die Möglichkeit geben, vor Gericht erscheinen zu können und ihr Recht durchsetzen zu können.

Und in diesem Spannungsfeld gibt es dann die Möglichkeit zu gucken, welche Verfahren oder welche Geschäftsprozesse kann ich kontaktlos durchführen. Und es gibt diverse Möglichkeiten. Es ist ja nicht nur, dass der Richter den ganzen Tag in der Verhandlung sitzt oder die Rechtspfleger den ganzen Tag Zwangsversteigerungen durchnimmt. Der Tag ist ja auch durchsetzt durch Aktenbearbeitung durch Verfahrensbearbeitung durch Arbeit mit dem Fachverfahren, wie schon gesagt. Und diese Tätigkeiten müssen ja nicht zwangsläufig vor Ort im Büro passieren, die könnten ja auch im Homeoffice passieren, oder? Verhandlungen müssen nicht unbedingt persönlich durchgeführt werden. Es gibt schon seit mehreren Jahren eine Vorschrift in der ZPO, die es ermöglicht Videoverhandlungen, Videovernehmungen zu machen. Das ist aber noch nicht so ausgeprägt gewesen vor Corona, wie es jetzt auf einmal tatsächlich als Möglichkeit aufscheint. Wir sind schon vor der Corona Krise zum Glück sehr gut aufgestellt gewesen, was diese sogenannten Homeoffice Plätze angeht und wir sind eigentlich auch schon ausgestattet gewesen, sehr gut, in allen Landgerichten und in vielen Justizvollzugsanstalten mit sogenannten Videokonferenzanlagen. Also auch da bestand schon vorher die Möglichkeit, Videokonferenzen oder Videoverhandlungen, Videoanhörungen durchzuführen. Und das ist natürlich jetzt der Renner.

Adina Murrer
Ja, Videokonferenzanlagen haben wahrscheinlich während der Corona Krise eine Art Revolution erlebt und in vielen Fällen den Geschäftsbereich aufrechterhalten können. Auch der juristische Nachwuchs hat davon gut profitieren können. Frau Richter, vielleicht möchten Sie einmal erläutern, inwieweit die IT-Stelle die Referendarausbildung trotz Corona Krise mit technischen Lösungen aufrechterhalten konnte?

Ingrid Richter
Ja, das war eine große Herausforderung, denn natürlich ist es wichtig, dass wir Nachwuchs im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich weiterhin einstellen und ausbilden können. Und diese Referendare werden ausgebildet von Richterinnen und Staatsanwälten vor Ort und haben zusätzlich noch sogenannte Arbeitsgemeinschaften, Leiterinnen und Leiter. Und diese Arbeitsgemeinschaften jetzt in der Corona Krise mit den entsprechenden Kontaktbeschränkungen sinnvoll zu leiten, war eben eine Aufgabe, der sich das Justizministerium angenommen hat und die Idee war, die Arbeitsgemeinschaften per Video Chat laufen zu lassen.

Wir haben in Hessen im Ressort übergreifend ein Produkt, das nennt sich Hessen Connect. Das war allerdings für die hessische Justiz noch nicht im Einsatz vorgesehen und deswegen musste schnell ein Konzept gefunden werden, wie es eben einfach schnell eingeführt werden kann. Krisen bedürfen keiner langen Prüfungen, Krisen bedürfen einfach einem schnellen Handeln und dementsprechend sind wir vom Ministerium gebeten worden, "Skype for Business" ist das, also Hessen Connect, bei den Referendar-AG- Leitern einzuführen. Und das haben wir in einer erstaunlich schnellen Zeit geschafft.

Wir haben die entsprechenden Lizenzen beschafft. Wir haben die Behörden entsprechend von der Infrastruktur her ausgestattet und innerhalb von drei bis vier Wochen hatten alle AG-Leitungen, ich glaube es sind so 170 bis 180 Personen, "Skype for Business", damit wenigstens die AGs jetzt mit den Einstellungen im Mai 2020 beginnen können. Ja, die Ausstattung der AG-Leiterinnen und Leiter war der erste Schritt und im nächsten Schritt kommt jetzt, alle Referendarinnen und Referendare mit dienstlichen Notebooks ausstatten zu wollen und denen auch Hessen Connect geben wollen, dieses "Skype for Business", damit eben auch da die Ausbildung gegebenenfalls kontaktlos, falls es das erfordert, möglich ist.

Adina Murrer
Dass die IT-Stelle auch in Krisenzeiten gut und schnell reagieren kann, haben wir jetzt an einigen Beispielen gehört. Doch zu einer effektiven Nutzung gehören immer zwei Faktoren. Zum einen natürlich die technischen Voraussetzungen und zum anderen die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer. Frau Richter, was ist dahingehend Ihr Eindruck? Hat sich die Bereitschaft, neue und andere technische Lösungen zu nutzen, während der Corona Krise verändert?

Ingrid Richter
Also die Erfahrungen sind meines Erachtens durchaus positiv. Einmal sind wir ja schon vor Corona sehr gut ausgestattet gewesen. Ich glaube, wir haben rund 3500 Arbeitsplätze in der hessischen Justiz mobil ausgestattet mit der Möglichkeit, diese Arbeitsplätze von Zuhause aus zu betreiben. Das Interesse ist natürlich gewachsen, aber letztendlich waren wir dann auch mit dem typischen Corona Problem konfrontiert, nämlich der Lieferschwierigkeiten. Von einem Tag auf dem anderen sind da die Wege abgeschnitten gewesen, Hardware zu bekommen und wir haben keine Hardware mehr gehabt, mit denen wir dann die zusätzlichen Home-Office Plätze hätten ausstatten können.

Und da hatten wir die Idee einer Umverteilung. Wir haben uns mit unseren Partnern in Verbindung gesetzt. Das sind alle Chef-Präsidentinnen und Präsidenten der hessischen Obergerichte, der Generalstaatsanwalt und auch Abteilungsleitungen aus dem Justizministerium, die gemeinsam überlegt haben, wie wir mit dem bestehenden Material umgehen können, um das einigermaßen zu verteilen. Und alle waren einverstanden damit, dass man guckt, wo Doppelausstattungen sind, zufällige Doppelausstattungen, wo vielleicht auch umsortiert werden kann mit den Homeoffice Zugängen und alle waren sehr sehr solidarisch und sehr sehr schnell in ihrer in ihrer Mitarbeit. Und wir haben es tatsächlich geschafft, beispielsweise den Justizvollzug, der noch nicht so gesegnet war, mit Homeoffice Plätzen auszustatten. Und da haben das die Arbeitsgerichtsbarkeiten, die Verwaltungsgerichtsbarkeit Hardware abgegeben, um das in den Justizvollzug zu geben. Das fand ich eine unglaublich solidarische Aktion und eine zweite Aktion war auch, Videokonferenz-Anlagen der Justizvollzugsanstalten aufzustocken. Und auch da hat uns ein Landgerichtspräsident freundlicherweise seine Anlage zur Verfügung gestellt.

Landgerichte haben meistens zwei Anlagen und er war eben so freundlich und hat eine seiner Anlagen einer Justizvollzugsanstalt zur Verfügung gestellt. Das ist innerhalb von zwei Wochen abgewickelt gewesen. So schnell hätte ich mir das im Regelfall vor Corona nie vorstellen können und das ist auch ein ausgezeichnetes Zeichen der Solidarität untereinander und das zeigt auch, wie in Zeiten der Digitalisierung auch die Justiz glaubwürdig ist.

Adina Murrer
Sie haben bereits das eine oder andere Verfahren angesprochen. Wollen Sie uns vielleicht zwei, drei Beispiele nennen, damit die Zuhörerinnen und Zuhörer einen Eindruck bekommen, wie diese dann auch praktisch funktionieren?

Ingrid Richter
Selbstverständlich gerne. Wir haben so viele tolle Verfahren, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, liebe Frau Murrer, aber ich würde mal ein paar Beispiele herauspicken, die schon sehr lange sehr gut laufen. Das ist einmal die Registerverfahren. Wir haben seit Jahren das elektronische Grundbuch und das elektronische Handelsregister. Das sind beides Verfahren, die voll elektronisch ablaufen, ohne dass noch großartig Papier gewälzt wird, also Antragsstellung, Auskunft und Einsicht erfolgt alles elektronisch. Etablierte Verfahren seit Jahren fallen immer so ein bisschen herunter, weil die elektronische Akte im Moment so in aller Munde ist.

Nichtsdestotrotz ein weiteres zweites Verfahren, auch finde ich sehr maßgeblich, ist die Posteingangs- und Postausgangsverwaltung. Das ist das sogenannte elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach, abgekürzt EVP. Das ist etwas, was wir in Hessen schon seit 2007 einsetzen und jetzt mit diesem genannten ersten eJustice Gesetz 2013 einen größeren Zulauf erfährt, weil jetzt auch die Anwaltschaft verpflichtet ist, ein elektronisches Anwaltspostfach zu haben. Und hier nimmt die Kommunikation zwischen Justiz und Anwaltschaft enorm Fahrt auf. Das heißt, diese Kommunikation erfolgt papierlos und das ist eine extreme Erleichterung, weil wir in der hessischen Justiz bereits ein Modul besitzen, mit dem wir diese Eingänge und Ausgänge verwalten können.

Wie gut ein Verfahren ist, merkt man immer erst dann, wenn es ausfällt. Das ist nämlich gerade ganz katastrophal, da merkt man dann erst, wie elend es ist, Papier zu verwalten, zu bedrucken, zu lochen, zu heften - weiß gar nicht, wo noch Anwendungspunkte sind, wo man merken kann, wie ätzend das dann auf einmal ist, Papier zu haben.

Ein letztes Fachverfahren, das fällt immer so ein bisschen runter, aber dadurch, dass ich 2008 schon damit befasst war und es auch in der hessischen Justiz eingeführt habe, deswegen möchte ich nochmal drauf kommen und eine Lanze dafür brechen, das ist das elektronische Ordnungswidrigkeitenverfahren. Es fällt immer so ein bisschen runter, das elektronische Knöllchen, ich sage mal, die elektronische Verwaltung von Knöllchen. Das haben wir tatsächlich in drei Gerichten, drei Staatsanwaltschaften 2008 eingeführt und das ist die erste echte elektronische Akte, nicht nur in der hessischen Justiz, sondern auch bundesweit. Und die läuft derart ruhig, dass man sie gerne vergisst.

Adina Murrer
Viele kennen sicherlich den Geschäftsbereich der Staatsanwaltschaften, der Gerichtsbarkeit und des Justizvollzug. Doch welche Rolle hierbei die IT-Stelle einnimmt, welche Schnittstellen es gibt und wie diese die genannten Geschäftsbereiche unterstützt, ist vielen sicherlich nicht ganz bewusst. Frau Richter, vielleicht können Sie genau darauf nochmal eingehen und einige Verfahren vorstellen.

Ingrid Richter
Wir haben für alle Geschäftsbereiche Justizfachverfahren, die die Arbeitsprozesse dort sehr gut unterstützen. Es gibt meines Wissens keinen Bereich, der noch tatsächlich Karteikarten per Hand führt, das ist ja so der erste Schritt. Wir haben in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sehr viele Verfahren, die sich Eureka nennen, das ist eine dieser Akronyme. Eureka wird eingesetzt, sowohl bei der Zivilgerichtsbarkeit als auch bei der Strafgerichtsbarkeit und ist in einer besonderen Ausprägung auch bei der Fachgerichtsbarkeit im Einsatz bei der Sozialgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit.

Wir haben verschiedene Textsysteme, weil Textproduktion ist nun mal etwas, was die Justiz vordringlich betreibt. Sie schreibt Werke, die es ermöglichen, Daten, die im Fachverfahren sind, zu übernehmen und die Schriftstücke schon so ausfertigen, dass gar keine Daten mehr mit der Hand eingetragen werden müssen. Insbesondere, ja das ist auch der Bereich, aus dem ich komme, der Bereich der Staatsanwaltschaften, Koppelung des staatsanwaltschaftlichen Verfahren, MESTA, das ist die Abkürzung für Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation mit der Textverarbeitung, auch wieder eine Abkürzung, HVTS, die hessische Vordruck- und Textbausteinsammlung. Und diese Koppelung ermöglicht es tatsächlich, einen Vordruck nahezu automatisch mit allen Daten auszufüllen, die das Fachverfahren MESTA bietet. Und dann die letztendlich intellektuelle Leistung ist natürlich noch das inhaltliche, das fachliche Abschließen dieser Verfügung, sei es eine Anklage, sei es eine Einstellung. Im Justizvollzug haben wir verschiedene Module für verschiedene Bereiche.

Und dort gibt es nicht nur die Verwaltung der Verfahren und der Eingänge, der Personalverwaltung und und und und, es gibt dann auch Kamera-Verfahren, also die Ausstattung, die Ausstattung der Häftlinge, Küche, da gibt es Module et cetera. Wir haben selbstverständlich übergreifende Verfahren, die alle gebrauchen können. Das sind Auskunftssysteme, wir haben Auskunftssysteme, z.B. der elektronische Abruf von Einwohnermeldeamtsdaten. Wir haben die Möglichkeit, elektronischen Zahlungsverkehr anzubieten, also auch das, was wir elektronisch an die Rechtsanwälte verschicken. Als Zahlungsnote kann elektronisch bezahlt werden, also auch schon lange etablierter kontaktlose Prozess.

Wir haben in der Verwaltung elektronische Akten und natürlich auch, wie gesagt, in den Registern und eben unser Herzstück ist eigentlich die EGVP, das elektronische Gerichts- und Verwaltungs-Postfach in der Außenkommunikation.

Adina Murrer
Frau Richter, was meinen Sie, was muss ich noch verbessern, was vielleicht sogar verändern? Und wird sich die Einstellung einiger Nutzerinnen und Nutzer gegenüber der Digitalisierung verändern und wird diese jetzt noch schneller aufgrund der Corona Krise vorangetrieben werden?

Ingrid Richter
Also wenn Sie mich fragen, was man noch verbessern kann, dann würde ich jetzt mal zurückblicken und sagen, die Krise hat ja nicht nur gewisse Risiken aufgezeigt, sondern insbesondere in meinem Bereich auch die Möglichkeit einer Bewältigung und ganz besonders in der IT. Und hier sind eben die Vorteile der Digitalisierung zutage getreten, nicht nur als Überbrückung, sondern eben auch als dauerhaften zukünftigen Zustand. Und wir haben komplett auch in Hessen ressortübergreifend erfahren, dass die Justizinfrastruktur massiv aufgerüstet wurde, einfach auch damit die Systeme stabil laufen, weil jetzt sehr, sehr viele im Homeoffice sind und sehr, sehr viele videochatten wollen und das ist etwas, was auf jeden Fall erhalten bleiben muss. Insbesondere wenn ich daran denke, wenn wir 2026 die gesetzliche Verpflichtung haben, mit elektronischen Akten zu arbeiten - das sind massive, stabile Systeme, die drunter liegen müssen, das heißt, wir brauchen diese stabile Infrastruktur. Die Krise hat einen gewissen Druck auf die Digitalisierung ausgeübt, aber vielleicht findet auch dann ein gewisses Umdenken statt, welche positiven Aspekte Digitalisierung haben kann. Und ich glaube, das ist auch für die Justiz ganz wichtig, dass eben auch da alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, wie gut die Zusammenarbeit auch auf digitalem Wege funktionieren kann und man trotzdem noch das soziale Miteinander immer noch aufrechterhalten kann.

Adina Murrer
Ja, Frau Richter, vielen Dank für die interessanten Einblicke in die IT-Welt. Wir bleiben gespannt, was uns noch in Zukunft erwarten wird. Damit sind wir auch schon am Ende unseres Podcasts. Ich freue mich, dass Sie eingeschaltet haben und hoffe, dass Sie auch nächstes Mal wieder dabei sind, wenn es wieder heißt "Zeit für Justitia - der Justiztalk aus Hessen".