v.l.n.r.: stellvertretende Behördenleiterin Frau Sehlbach-Schellenberg und Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Justizminister Roman Poseck besucht die Staatsanwaltschaft Gießen

Prof. Dr. Roman Poseck: „Eine Änderung des Alters für die Strafmündigkeit ist der falsche Weg. Die Grenze von 14 Jahren hat sich bewährt. Schreckliche Einzelfälle sind kein Anlass für eine Änderung.“

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Hessens Justizminister hat heute die Staatsanwaltschaft Gießen besucht, um sich mit der stellvertretenden Behördenleiterin Frau Sehlbach-Schellenberg und unterschiedlichen Gremien über verschiedene Themen auszutauschen. Die Stelle der Behördenleiterin/des Behördenleiters ist seit der Ernennung des bisherigen Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Michael Bolowich zum stellvertretenden Generalstaatsanwalt am 7. Februar 2023 vakant und seit dem 1. März ausgeschrieben.

Hessens Justizminister Roman Poseck ging anlässlich des Besuches auch auf die aktuelle Debatte über eine mögliche Herabsetzung der Strafmündigkeit ein: „Eine Änderung des Alters für die Strafmündigkeit ist der falsche Weg. Die Grenze von 14 Jahren hat sich bewährt. Strafrecht und Strafvollzug sind für Kinder nicht geeignet. Unter 14 Jahren stehen Maßnahmen des Familienrechts sowie des Kinder- und Jugendhilferechts zur Verfügung. Diese können unter Umständen auch Unterbringungen in geschlossenen Einrichtungen einschließen. Auch schreckliche Einzelfälle wie jetzt in Freudenberg, bei denen Kinder unter 14 Jahren Kapitalverbrechen begehen, sind kein Anlass für eine Änderung. Durch ein niedrigeres Alter bei der Strafmündigkeit lassen sich diese Fälle nicht verhindern.  Derartige Fälle hat es auch in den vergangenen Jahren leider immer mal wieder gegeben. Sie sind nach wie vor äußerst selten, lassen sich aber auch nicht zu 100% ausschließen. Verhalten und Reifegrad der unter 14-jährigen haben sich nach meiner Einschätzung nicht derart verändert, dass eine Änderung der Strafmündigkeitsgrenze erforderlich wäre. Auch die Bewertungen der Praktikerinnen und Praktikern der hessischen Justiz, wie auch heute hier bei der Staatsanwaltschaft in Gießen, sprechen gegen eine Änderung.“

„Cold Cases“ im Fokus

Besondere Erfolge hat die Staatsanwaltschaft Gießen bei der Bearbeitung sogenannter „Cold Cases“ erzielt. „Cold Cases“ sind vollendete Mord- und Totschlagsdelikte bzw. Langzeitvermisstenfälle mit Verdacht auf das Vorliegen eines Tötungsdeliktes und versuchte Tötungsdelikte mit besonderer Bedeutung (Serientaten), die trotz aufwändiger langer Ermittlungen nicht gelöst wurden. Herauszuheben sind hierbei der Ermittlungserfolg (2017/2018) im Verfahren wegen des Tötungsdeliktes einer Achtjährigen im Jahr 1999 sowie die aktuelle Öffentlichkeitsfahndung über „Aktenzeichen XY“ der „Taximorde, 1988/1989“. „Die Staatsanwaltschaft Gießen leistet hervorragende Arbeit, insbesondere im Umgang mit besonders schwierigen und schweren Verfahren. Auch die intensive Beschäftigung mit ‚Cold Cases‘ zeichnet die Staatsanwaltschaft aus. Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger hat sich auf diese ungeklärten Fälle spezialisiert und sich über Hessen hinaus einen Namen gemacht. Mit der Bearbeitung von ‚Cold Cases‘ klären die zuständigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nach zum Teil Jahrzehnten Fälle auf. So bleiben schwere Verbrechen nicht ungesühnt. Das kann vor allem den Angehörigen helfen, die sich jahrelang mit offenen Fragen quälen, Gerechtigkeit zu empfinden. Die Ermittlungsarbeit von ‚Cold Cases‘ leistet daher einen wichtigen Beitrag in unserem Rechtssystem“, so der Hessische Minister der Justiz.

Derzeit sind bei der Staatsanwaltschaft Gießen 31 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und 91 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. „Aus dem Doppelhaushalt 2023/2024, der insgesamt fast 500 neue Stellen für die Justiz vorsieht, werden der Staatsanwaltschaft Gießen drei zusätzliche Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugewiesen. An dieser Stelle möchte ich allen Bediensteten für ihren täglichen Einsatz und für ihr überobligatorische Engagement danken“, erklärte Justizminister Roman Poseck abschließend.