Justizminister Roman Poseck steht am Rednerpult und spricht zum Hinweisgeberschutzgesetz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Justizminister Roman Poseck zum Gesetz

Die Bundesregierung hat im Dezember 2022 einen Entwurf zum Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutzgesetz) auf den Weg gebracht, um eine Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2019 umzusetzen. Der Hessische Minister der Justiz Prof. Dr. Roman Poseck hat heute im Bundesrat eine Rede zu diesem Gesetz gehalten.

Der Minister betonte dabei: „Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber – ,Whistleblower‘ –  sind mutige Menschen, die interne Informationen weitergeben, um auf gravierende Missstände hinzuweisen. Sie verdienen gesetzlichen Schutz. Das Gesetz muss effektiven Hinweisgeberschutz gewährleisten und gleichzeitig die bürokratischen und finanziellen Hürden für Unternehmen in Grenzen halten. Es gilt bereits für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten. Das sind 90.000 Unternehmen in Deutschland. Auch deren Belange müssen in die Gesetzgebung einfließen und das ganz besonders in der heutigen Zeit, in der die Unternehmen zahlreichen Belastungen und Unsicherheiten ausgesetzt sind. Es geht auch um Zukunftsfragen des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Schutz in allen Belangen gewähren

Grundsätzlich teile ich die Intention des Gesetzes, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber zu schützen. Ich habe aber Zweifel, dass das Gesetz alle Belange angemessen berücksichtigt. Die Kritik bezieht sich dabei insbesondere auf die folgenden Punkte:

1.) Die vom Bundestag vorgenommene Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs ist in diesem Umfang nicht erforderlich, in Teilen nicht folgerichtig und gemessen am Zweck des Gesetzes sogar kontraproduktiv. Effektiven Hinweisgeberschutz zu gewährleisten heißt, ihn auf die wirklich relevanten Fälle zu konzentrieren, nicht aber etwa – wie vorgesehen – auf Ordnungswidrigkeiten.

2.) Die Verpflichtung zur Einrichtung eines anonymisierten Meldekanals stellt eine unverhältnismäßige Erweiterung dar. Dieser Meldekanal soll neben der anonymen Meldung auch eine anonymisierte Kommunikation mit der Hinweisgeberin bzw. dem Hinweisgeber erlauben. Hierdurch wird den Unternehmen die im Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst noch vorgesehene Flexibilität bei der Einrichtung der Meldekanäle genommen. Hinzu kommt, dass eine anonymisierte Kommunikation nur mit Hilfe eines speziellen IT-Systems in einem digitalen Raum möglich ist. Damit werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor große finanzielle Herausforderungen gestellt. Wieder einmal treffen zusätzliche Anforderungen vor allem den Mittelstand, der das Rückgrat unserer Wirtschaft ist.

3.) An einer wirklich entscheidenden Stelle fehlinterpretiert das Gesetz die Richtlinie sogar: Es führt nämlich eine Beweislastregelung ein, nach der zu vermuten ist, dass eine von der Hinweisgeberin bzw. dem Hinweisgeber nach einer Meldung erlittene Benachteiligung eine Repressalie im Sinne des Gesetzes ist.

Missbrauchspotential vermeiden

Dies birgt erhebliches Missbrauchspotential. Denn ohne das Erfordernis des Kausalitätsnachweises könnten Beschäftigte nahezu jede nachteilige Maßnahme ihrer Arbeitgeberin bzw. ihres Arbeitsgebers in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes ziehen. Auf diese Weise könnten sie sich einen von der Rechtsordnung bisher nicht vorgesehenen Kündigungsschutz verschaffen.

Ferner besteht in diesem Zusammenhang die begründete Sorge, dass der Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung, so wie ihn unser Grundgesetz und das Bundesarbeitsgericht vorsehen, in unzulässiger Weise beeinträchtigt wird.

Überbordende bürokratische Anforderungen vermeiden

4.) Schließlich sollte auch die Geldbuße in Höhe von bis zu 20.000 Euro für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die ihrer Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle nicht nachkommen, aus dem Gesetz gestrichen werden. Eine solche Sanktionierung schreibt die Hinweisgeberschutz-Richtlinie nicht vor. Sie ist nicht erforderlich und damit primär Ausdruck des Misstrauens gegenüber den Unternehmen, das das Gesetz leider an verschiedenen Stellen kennzeichnet.

Diese vier Punkte sollten dringend im Gesetz Berücksichtigung finden, um die Interessen der hinweisgebenden Personen und der Unternehmen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Überbordende bürokratische Anforderungen gilt es gerade in der heutigen Zeit zu vermeiden.

Sollte es zu weiteren Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren kommen, sind diese mit Blick auf die die berechtigten Interessen von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern sowie die bereits Ende 2021 abgelaufene Umsetzungsfrist der zugrundeliegenden EU-Richtlinie bedauerlich. Die Verantwortung für das schleppende Gesetzgebungsverfahren trägt aber der Bund. Das Ziel einer ausgewogenen Regelung darf jetzt nicht dem selbst geschaffenen Zeitdruck zum Opfer fallen. Eine angemessene Beteiligung der Länder ist im Übrigen bislang unterblieben.“