Prof. Dr. Jürgen Graf, Direktor des Universitätsklinikums Frankfurt, Sozial- und Integrationsminister Kai Klose, Prof. Dr. Baz Bartels, Leiter der Kinderschutzambulanz, Prof. Dr. Matthias Kieslich, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung und Justizminister Roman Poseck

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Besuch der ZIT und des Childhood-Hauses

Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität (ZIT) bearbeitet seit ihrer Gründung im Januar 2010 unter anderem Verfahren in den Deliktsbereichen der Kinderpornografie und des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie im Darknet.

Nutzung der Handlungsspielräume zur Speicherung von IP-Adressen

Justizminister Roman Poseck erklärte anlässlich des gemeinsamen Besuchs mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung Kerstin Claus bei der ZIT in Frankfurt am Main: „Mit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität haben wir in Hessen eine schlagkräftige Einheit, die häufig im Rahmen internationaler Zusammenarbeit, schwere und schwerste Straftaten der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verfolgt. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der ZIT bearbeiten besonders aufwendige und umfangreiche Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Internetbezug. Der ZIT sind in den vergangenen Jahren bereits wichtige Ermittlungserfolge wie die Zerschlagung der Kinderpornografie-Plattformen Boystown und Elysium gelungen. Bei der Strafverfolgung im Darknet werden alle verfassungsrechtlich zulässigen Möglichkeiten ausgeschöpft. Dennoch könnten wir noch mehr Fälle aufklären, wenn unsere Ermittlerinnen und Ermittler die vom Europäischen Gerichtshof klargestellten Handlungsspielräume zur Speicherung der IP-Adressen nutzen könnten. Leider gibt es seitens der Bundesregierung hierzu keine einheitliche Haltung. Mit der Möglichkeit zur Speicherung von IP-Adressen könnten wir unserem Schutzauftrag gegenüber Kindern noch besser gerecht werden. Deshalb will sich auch die künftige Landesregierung für die Speicherung von IP-Adressen einsetzen, beispielsweise mit der Einbringung eines Gesetzesentwurfs im Bundesrat.“

Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung führte nach dem Besuch in der ZIT aus: „Die Ermittlungserfolge der ZIT wie die Zerschlagung der Darknet-Plattformen Boystown und Elysium zeigen, wie wichtig Spezialisierung und internationale Vernetzung für die Ermittlungsarbeit sind. Kindesmissbrauch im Netz findet aber nicht nur auf Darknet-Plattformen, sondern auch auf den regulär zugänglichen Internetseiten statt. Auch dort werden massenhaft Missbrauchsdarstellungen gespeichert. Zur Aufdeckung dieser Straftaten müssen die Ermittlungsbehörden die Täter zum Beispiel anhand von IP-Adressen identifizieren können. Aktuell sind wir in Deutschland hier auf Meldungen von NCMEC aus den USA angewiesen. Wir brauchen aber eine gesetzliche Regelung, um in Deutschland selbst schneller und effektiver aktiv werden zu können. Der vom Europäischen Gerichtshof ermöglichte Spielraum zur Speicherung von IP-Adressen sollte so genutzt werden, dass die Identität von Tätern über IP-Adressen mindestens bis zu drei Wochen ermittelt werden kann – die aktuellen Speicherpraktiken machen dies meist nicht möglich. Der Effekt wäre bereits enorm.“

Erstes Childhood-Haus in Hessen

Am 20.November haben Königin Silvia von Schweden und Ministerpräsident Boris Rhein sowie weitere Kabinettsmitglieder der hessischen Landesregierung feierlich das erste Childhood-Haus in Hessen eröffnet. Auch von dieser Einrichtung haben sich die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus und Justizminister Roman Poseck gemeinsam mit Sozial- und Integrationsminister Kai Klose einen persönlichen Eindruck verschafft. „Kinder und Jugendliche tragen oft ihr Leben lang an den Folgen erlittener Gewalt“, sagte Kai Klose. „Hier im Childhood-Haus erhalten sie die nötige Hilfe, um sich dennoch gesund zu entwickeln, an einem Ort. Unser wichtigstes Ziel ist, die Retraumatisierung betroffener Kinder und Jugendlicher zu vermeiden.“ Bei der Bearbeitung von Kinderschutzfällen im Childhood-Haus arbeiten alle notwendigen interdisziplinären Professionen zusammen.

„Für die Justiz bedeutet das die Bearbeitung von familiengerichtlichen Verfahren und Strafverfahren aus den Deliktsfeldern Missbrauch und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen. Das Konzept ermöglicht ein koordiniertes Vorgehen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller am Kinder- und Jugendschutz beteiligten Institutionen. Durch eine abgestimmte und frühzeitige Koordinierung der Kinderschutzambulanz, Staatsanwaltschaft, Polizei sowie des Gerichts und Jugendamtes können die für Kinder unangenehmen Vernehmungen und Anhörungen verringert werden. Im Childhood-Haus ist ein Vernehmungszimmer kindgerecht eingerichtet und mit professioneller Videotechnik ausgestattet worden. Aus diesem ist künftig eine Live-Übertragung einer Vernehmung durch die Richterin oder den Richter ins Justizgebäude möglich, sodass das Kind keinen direkten Kontakt mit der beschuldigten Person oder weiteren Verfahrensbeteiligten haben muss. Zudem bleibt dem Kind eine fremde und ungewohnte Prozessatmosphäre erspart. Das Childhood-Haus ist daher ein großer Gewinn im Sinne des Kinderschutzes. Ich freue mich, dass die Justiz an diesem wichtigen Thema an zentraler Stelle“, betonte Roman Poseck am Rande des Besuchs im Childhood-Haus.

Kerstin Claus erklärte nach dem Besuch im Childhood-Haus: „Ich freue mich sehr, dass ich das Childhood-Haus hier in Frankfurt so kurz nach der Eröffnung besuchen konnte. Die Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in Childhood-Häusern ist ein Modell dafür, wie ein kindgerechter Umgang mit Opfern von Straftaten gelingen kann. Kinder, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, stehen hier an erster Stelle. Sie werden betroffenensensibel und multidisziplinär versorgt. Wichtig wäre, dass die Childhood-Häuser in Deutschland nun auch zeitnah evaluiert werden, um die Qualität der Unterstützungsstruktur zu sichern und die Arbeit in den Childhood-Häusern im Sinne des Kinderschutzes weiterzuentwickeln.“

Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ist das Amt der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen und deren Angehörigen, für Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft sowie für alle Menschen in Politik und Gesellschaft, die sich gegen sexuelle Gewalt engagieren.

Im März 2022 wurde Kerstin Claus das Amt der Unabhängigen Beauftragten übertragen. Kerstin Claus wurde 1969 in München geboren, ist Journalistin und seit 2015 in der Politik- und Strategieberatung im Themenbereich sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche tätig. Bevor sie das neue Amt antrat, war sie Mitglied im BetroffenenratÖffnet sich in einem neuen Fenster des UBSKM. Claus ist als Unabhängige Beauftragte nicht weisungsgebunden. Organisatorisch, personell und finanziell erfolgt die Anbindung beim Bundesfamilienministerium.