Die Hessische Landesregierung hat den durch das Hessische Ministerium der Justiz, das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sowie das Hessische Ministerium für Soziales und Integration vorgelegten Dritten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich beschlossen. Hessen setzt damit sein Engagement bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt fort und nimmt seine staatliche Verantwortung auch in diesem Bereich wahr. Bereits mit den ersten beiden Aktionsplänen wurden in Hessen wichtige Strukturen zum Schutz der Opfer, zu denen weit überwiegend Frauen und Mädchen sowie die immer auch mit betroffenen Kinder zählen, zur ebenso wichtigen Arbeit mit den Tätern und zum vernetzten Vorgehen aller Beteiligten geschaffen.
Ernste Straftaten
Der Hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärte: „Bei Gewalt im häuslichen Bereich handelt es sich um keine Privatangelegenheit, sondern um ernst zu nehmende Straftaten. Dennoch ist sie leider weiterhin verbreitet. Die Opfer zu schützen, Täter in Verantwortung zu nehmen und ihnen zugleich Wege aus der Gewaltspirale aufzuzeigen, ist daher vordringliche Aufgabe von Staat und Gesellschaft. Mit dem neuen Aktionsplan kann häuslicher Gewalt nun noch umfassender, wirksamer und nachhaltiger entgegengetreten werden.“
Gesamtgesellschaftliche Bedeutung
Die Anzahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Hessen erfassten Fälle häuslicher Gewalt ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, von noch 8.216 Fällen im Jahr 2016 bis hin zu 10.410 Fällen im Jahr 2021. Häusliche Gewalt ist damit ein Thema von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Dieser Grundsatz wurde im Jahr 2018 mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sog. Istanbul-Konvention) bekräftigt und im Range eines Bundesgesetzes verankert. Der Schutz vor Gewalt im häuslichen Bereich ist eine öffentliche Aufgabe und sie verpflichtet das Land, die Landkreise und die Kommunen.
Die Arbeitsgemeinschaft „Gewalt im häuslichen Bereich“ des Landespräventionsrates Hessen hat seit Anfang 2020 in einer eigens hierfür eingerichteten Unterarbeitsgruppe die bisherige Fassung des Landesaktionsplans im Hinblick auf seine Umsetzung und insbesondere auch hinsichtlich der Vorgaben der Istanbul-Konvention evaluiert. Dabei wurden diejenigen Artikel der Konvention, die primär auf die Bekämpfung von Partnerschaftsgewalt abzielen und die zudem durch Maßnahmen der Landesregierung konkret beeinflusst werden können, auf den Stand ihrer Umsetzung in Hessen überprüft und nun entsprechend angepasst.
Ausbau der Förderung
Der dritte Aktionsplan sieht danach einen bedarfsgerechten Ausbau der Täterarbeit und die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Kinderschutzverfahren auf struktureller Ebene vor. Ferner wird die Bedeutung standardisierter Fallkonferenzen, die in Fällen häuslicher Gewalt das Ziel einer interdisziplinären Risikoeinschätzung verfolgen, hervorgehoben. Weiterhin betont der dritte Aktionsplan noch deutlicher, dass die Bekämpfung häuslicher Gewalt gesamtgesellschaftliche Maßnahmen erfordert. So adressiert der Plan ausdrücklich auch den Bildungssektor und die Medien und hebt die Bedeutung der Sensibilisierung sowie der Aus- und Fortbildung aller beteiligten Professionen inklusive des Gesundheitssystems vor.
Da für die nachhaltige Bekämpfung von häuslicher Gewalt gerade auch die Täterarbeit von zentraler Bedeutung ist, hat die Landesregierung die Förderung in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Die durch das Hessische Ministerium der Justiz in diesem Bereich zugewendeten Mittel beliefen sich zuletzt auf jährlich 250.000 EUR. Mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 soll diese Fördersumme erneut um 100.000 EUR auf dann 350.000 EUR jährlich aufgestockt werden. Damit kann die für den Opferschutz unverzichtbare Täterarbeit weiter gestärkt werden.
Enge Zusammenarbeit
Hessens Innenminister Peter Beuth sagte: „Der neue Aktionsplan verdeutlicht, dass die Hessische Landesregierung im Kampf gegen häusliche Gewalt nicht nachgibt. Im Hinblick auf diese nicht immer einfach zu erkennenden Beziehungstaten ist die hessische Polizei sensibilisiert. Die Beamtinnen und Beamten werden seit vielen Jahren intensiv aus- und fortgebildet, um im Einsatz mögliche Risikofaktoren schnell erkennen zu können. Nur so können einzelne Situationen schnell bewertet und angepasste Schutzmaßnahmen eingeleitet werden. Besonders wichtig ist hierbei die enge Zusammenarbeit der Polizei mit anderen Institutionen und Einrichtungen, wie zum Beispiel Frauenhäusern, Jugendämtern und Opferberatungseinrichtungen.“
„Weltweit und auch hier in Hessen gehören geschlechtsspezifische Gewalterfahrungen und häusliche Gewalt zum Alltag vieler Frauen und Mädchen. 80 Prozent der Opfer von Part-nerschaftsgewalt sind weiblich,“ stellt Kai Klose, Hessischer Minister für Soziales und Integration fest. „Gewalt gegen Frauen, auch solche, die in Partnerschaften stattfindet, treten wir in Hessen entschieden entgegen. Hierzu ist der dritte Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich ein weiterer wichtiger Schritt. Ich freue mich, dass wir den neuen Landesaktionsplan zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, der kommunalen Spitzenverbände, der kommunalen Frauenbüros, sowie den Akteurinnen und Akteuren des Frauen- und Kinderschutzsystems erarbeiten konnten. Ihre Expertise ist uns besonders wichtig und verdeutlicht, dass es sich bei der Bekämpfung von Gewalt um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt.“
Umsetzung Istanbul-Konvention
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention gehört zu den wichtigsten Zielen des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Im Herbst 2022 wurde im Ministerium für Soziales und Integration die Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention geschaffen. Sie wird die bereits bestehenden Maßnahmen mit Blick auf die Anforderungen der Istanbul-Konvention analysieren und weiterentwickeln. Dabei wird die Zusammenarbeit mit den beteiligten Ressorts, der kommunalen Ebene und den nichtstaatlichen Akteurinnen und Akteuren zentral sein. In Hessen werden die Einrichtungen des Frauenunterstützungssystems, wie Frauenhäuser, institutionell gefördert. Die Mittel wurden seit 2019 kontinuierlich aufgestockt, Außerdem werden das Modell „Hessen gegen Ehrgewalt“ und die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung finanziell vom Land gefördert, um insbesondere vulnerable Opfer von Gewalt noch besser zu unterstützen.
Schwerpunkt der Arbeit
Die Bekämpfung häuslicher Gewalt ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit des Hessischen Ministeriums der Justiz. So wurde hier bereits im Jahr 2006 die Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt (LKS) eingerichtet, die die beteiligten Institutionen und Ebenen im Land vernetzt und informiert sowie interdisziplinäre Fortbildungen und Fachtage organisiert und durch ihre Öffentlichkeitsarbeit das Thema häusliche Gewalt enttabuisiert. Bereits seit 2008 gibt die Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt die Broschüre „Wegweiser für die Beratung von Männern mit Gewaltproblemen“ Öffnet sich in einem neuen Fensterheraus. Dieser Wegweiser möchte auf die Bedeutung und die Notwendigkeit von Täterarbeit als einem wichtigen Teil von Gewaltprävention hinweisen. Insbesondere aber soll ein hessenweiter Über-blick über die Beratungslandschaft gegeben und hierdurch der Zugang zu den vorhandenen Angeboten erleichtert werden.
Marburger Modell
Zur effektiven Strafverfolgung und gleichzeitigen Prävention von häuslicher Gewalt hat Hessen inzwischen auch die Intervention in Fällen häuslicher Gewalt (sog. „Marburger Modell“) landesweit ausgerollt. Der Fokus bei dieser Intervention in Fällen häuslicher Gewalt liegt auf einer schnellen und intensiven Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht unter der Mitwirkung von Täterberatungsstellen und Beratungs-stellen für Opfer und Zeugen von Straftaten im partnerschaftlichen Kontext. Durch eine schnelle Einbindung der Gerichtshilfe als Sozialer Dienst der Justiz nach einem Vorfall häuslicher Gewalt mit Polizeieinsatz kann einerseits der Opferschutz deutlich gestärkt und andererseits die Möglichkeit zur Einwirkung auf die Beschuldigten verbessert werden.
„Hessen engagiert sich seit vielen Jahren in vielfältigster Weise im Bereich der Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Mit dem Dritten Aktionsplan wird Hessen seiner Verantwortung auch im Hinblick auf die Vorgaben und Handlungsempfehlungen aus der Istanbul-Konvention wieder in besonderem Maße gerecht“, erklärte Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck abschließend.