Hessen verfügt über ein bundesweit vorbildliches und mittlerweile flächendeckend ausgebautes Netz von justiznahen Vereinen, die Opfer, Zeuginnen und Zeugen von Straftaten sowie mittelbar Betroffene kostenlos durch hierfür speziell geschulte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter professionell beraten.
„Die Hanauer Hilfe hat deutschlandweit als erste Beratungsstelle für Opfer, Zeuginnen und Zeugen von Straftaten wichtige Pionierarbeit in der professionellen Opferberatung geleistet. Die Hanauer Einrichtung war und ist noch immer Vorbild für andere Opferhilfevereine. Sie wurde 1984 als gemeinnütziger Verein im Rahmen eines Modellversuches des Hessischen Ministeriums der Justiz als eine professionelle Opferberatungsstelle gegründet. Die Ausweitung weiterer Opferhilfen erfolgte nach dem sogenannten ‚Hanauer Modell‘. Heute verfügt Hessen über ein vorbildliches Netz an Opferberatungsstellen, die flächendeckend engagiert und professionell betrieben werden. Sie beraten und unterstützen Opfer, Zeuginnen und Zeugen von Straftaten sowie deren Angehörige und Vertrauenspersonen. Die Unterstützung erfolgt unabhängig davon, um welches Delikt es sich handelt und ob die Betroffenen Anzeige erstattet haben. Die Opferhilfen sind eng mit der Justiz verbunden und gehören an ihren Standorten fest zum Justizangebot“, erklärte der Hessische Justizminister Roman Poseck bei seinem heutigen Besuch der Hanauer e.V. anlässlich der Übergabe des Zuwendungsbescheides über 254. 000 Euro.
Steigende Zuwendungen für Opferberatungsstellen
„Das Land Hessen hat die Opferberatungsstellen in den vergangenen Jahren mit steigenden Zuwendungsmitteln bedacht. So standen im Jahr 2018 Zuwendungen in Höhe von 760.200 Euro zur Verfügung, im Jahr 2019 insgesamt 910.200 Euro und seit dem Haushaltsjahr 2020 werden den Opferhilfevereinen jährlich 1.410.200 Euro bereitgestellt. Damit erhöht sich die Zuwendungsquote auf circa 75 Prozent, was die Vorstände der Beratungsstellen deutlich entlastet. Zudem zeigt die Erhöhung der finanziellen Mittel, dass die Opferhilfe und der Opferschutz einen hohen Stellenwert in der hessischen Justiz einnehmen. Die Hanuer Hilfe e.V. erhält für die Durchführung der Opfer- und Zeugenberatung auch für dieses Jahr eine finanzielle Unterstützung des Landes in Höhe von 254.000 Euro“, so Hessens Justizminister weiter.
Die Hanauer Hilfe ist für das Einzugsgebiet des Landgerichtsbezirks Hanau zuständig. Im Jahr 2022 haben insgesamt 568 Personen (2021: 605 Personen) in 426 Fällen (2021: 464 Fällen) mit 1.891 Beratungskontakte (2021: 2.230 Beratungskontakten) die Angebote der Hanauer Hilfe in Anspruch genommen. Bei 371 Fällen handelte es sich um im Jahr 2022 neu zugegangene Fälle, von denen 65 Fälle auf das Zeugenzimmer in Hanau, 33 Fälle auf das Zeugenzimmer in Offenbach, 17 Fälle auf die Onlineberatung sowie 256 Fälle auf die klassische Opferberatung entfielen.
Umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote
„Hessenweit haben die acht Opferhilfevereine im vergangenen Jahr in 2.717 Fällen insgesamt 3.495 Personen beraten und betreut. Das erfolgte in durchschnittlich 4,67 Beratungskontakten pro Fall, also in insgesamt 12.696 Beratungskontakten. Damit ist die Anzahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr (2021: 2.765 Fälle) um 48 Fälle, also um 1,7 %, etwas zurückgegangen. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 44 Personen mehr als im Vorjahr beraten. Dies entspricht einer moderaten Steigerung um 1,3 %. Die Anzahl der Beratungskontakte ist dagegen von 14.183 Kontakte um 1.487 Kontakte, was 10,5 % entspricht, auf 12.696 Kontakte zurückgegangen. Mit 71,7 % suchen überwiegend Frauen Rat bei Opferhilfen, 28,2 % Männer und 0,1 % divers. Die Zahlen zeigen, dass die Beratungsangebote nach wie vor von Frauen und Männern angenommen werden. Wir werden dem Opferschutz auch weiter höchste Priorität einräumen und eine entsprechende finanzielle Unterstützung gewährleisten“, führte Roman Poseck aus.
Die Hanauer Hilfe bietet Betroffenen umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote an. Sie hält auch ein spezielles Beratungsangebot für männliche Opfer sexueller Gewalt vor. Unter dem Titel „Gewalt ist Alles was verletzt“ berät die Hanauer Hilfe Jungen und Männer und deren Angehörigen, die Opfer und/oder Zeuge sexualisierter Gewalt wurden. Vorrangiges Ziel ist es, den Ratsuchenden Unterstützung und Beistand bei der Klärung und Bewältigung ihrer Situation zu sein und sie physisch und psychisch zu stabilisieren. Seit Januar 2015 bietet die Hanauer Hilfe darüber hinaus eine virtuelle Beratungsstelle als Onlineberatung für die Hessischen Opferhilfen an. Die Onlineberatung stellt u. a. durch den niedrigschwelligen Zugangsweg eine Ergänzung der vorhandenen face-to-face-Beratung dar. Auch für alle weiteren Opferhilfen übernimmt die Hanauer Hilfe deren Onlineberatungsservice.
In den Justizbehörden Hanau und Offenbach beraten und unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hanauer Hilfe Opfer und Zeugen in Strafverfahren, klären Fragen im Vorfeld und bieten Begleitung vor sowie während der Gerichtsverhandlung. Auch nach dem Gerichtstermin steht die Hanauer Hilfe für weitere Beratungsgespräche zur Verfügung. Seit dem 1. April 2010 ist das Zeugenzimmer am Amts- und Landgericht Hanau fest integriert.
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)
Die Hanauer Hilfe war eine der ersten Beratungsstelle in Hessen, die den TOA im allgemeinen Strafrecht umgesetzt hat. Bereits bei der Gründung der Hanauer Hilfe im Jahr 1984 wurde in der Vereinssatzung festgehalten, dass eine angemessene Unterstützung für Opfer von Straftaten in geeigneten Fällen auch im Versuch einer Aussöhnung mit dem Täter bestehen kann. Bereits damals war in der Satzung ein erster Hinweis auf den später eingeführten Täter – Opfer – Ausgleich enthalten. Der TOA wurde ab 1996 im Kooperationsmodell mit der Gerichtshilfe Hanau durchgeführt, seit 2003 wurde der Täter-Opfer-Ausgleich im allgemeinen Strafrecht vollständig der Hanauer Hilfe übertragen. Durch die Ansiedlung bei der Opferhilfe kann bei der Durchführung des TOA besonders auf die Bedürfnisse der Geschädigten geachtet werden.
Die Hanauer Hilfe ist ein fester Bestandteil in der Beratungslandschaft in der Stadt Hanau und den umliegenden Landkreisen. Sie ist in unterschiedlichen Arbeitskreisen vertreten und mit sozialen Institutionen und Kooperationspartnern gut vernetzt. Die Expertise der Hanauer Hilfe in Fragen des Opferschutzes wurden auch in der Folge des Attentats vom 19. Februar 2020 in Hanaus Innenstadt sowie im Stadtteil Kesselstadt nachgefragt. Auch hier arbeitet der Hanauer Opferhilfeverein mit der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Opfer von schweren Gewalttaten und Terroranschlägen und vielen weiteren helfenden Einrichtungen vertrauensvoll zusammen. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich so engagiert für die Interessen der Opfer sowie Zeuginnen und Zeugen einsetzen. Die Hanauer Hilfe gründet sich auf ein starkes ehrenamtliches Engagement. Opferberatung und Zeugenbegleitung sind in einem humanen Rechtsstaat unverzichtbar. Sie sind auch ein Gebot der Mitmenschlichkeit“, so Hessens Justizminister abschließend.