Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Justizminister Roman Poseck besucht die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit in Bonn

Der hessische Justizminister Roman Poseck hat die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Bonn besucht, um sich unter anderem mit deren Generalsekretärin Dr. Ramona Schardt über den Streitbeilegungsstandort Hessen, Fragen des Schiedsverfahrensrechts und aktuelle Reformdiskussionen auszutauschen.

Justizminister Roman Poseck sagte bei seinem Besuch: „Frankfurt ist schon jetzt einer der wichtigsten Standorte in Deutschland für gerichtliche und schiedsgerichtliche Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten. Staatliche Gerichte und Schiedsgerichte ergänzen sich. Deshalb brauchen wir ein konstruktives Miteinander. Ich setze mich nicht nur für die staatliche Justiz, sondern auch für die Schiedsgerichtsbarkeit ein. Wir stehen vor allem in einem internationalen Konkurrenzverhältnis, beispielsweise zu Streitbeilegungsstandorten in London und Paris. Ein starker und international konkurrenzfähiger Streitbeilegungsstandort in Hessen liegt im allseitigen Interesse. Wir wollen im internationalen Wettbewerb um den besten Streitbeilegungsstandort vorne mitspielen.“

Staatliche Gerichte und Schiedsgerichte ergänzen sich. Ein starker und international konkurrenzfähiger Streitbeilegungsstandort in Hessen liegt im allseitigen Interesse.

Roman Poseck Justizminister

Schiedsgerichtliche Verfahren sind alternative Streitbeilegungsverfahren zu einem staatlichen Gerichtsverfahren, bei denen die Parteien vor einem privaten Schiedsgericht verhandeln. Der Ort zur Streitbeilegung wird dabei von den Parteien vereinbart oder vom Schiedsgericht bestimmt. Die DIS ist die größte Organisation für schiedsgerichtliche Verfahren in Deutschland. Sie vertritt den Standort auch im Ausland. Die DIS ist ein eingetragener Verein mit über 1.500 Mitgliedern, dessen Zweck die Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit ist. Der Verein bietet anerkannte Regelwerke für Schiedsverfahren und weitere Arten der alternativen Streitbeilegung an und hat eine langjährige Tradition und Expertise bei deren Administration. Sie benennt auf Wunsch auch Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter und fördert die Wissenschaft sowie die Lehre des Schiedsrechts. Auch das Deutsche Sportschiedsgericht wird von der DIS getragen.

Hohes Ansehen Frankfurts als Streitbeilegungsstandort

Justizminister Roman Poseck erklärte im Rahmen des Gesprächs mit der DIS: „Der Standort Frankfurt kann auf hervorragenden Voraussetzungen als Streitbeilegungsstandort aufbauen. Er genießt hohes Ansehen. Schon heute werden hier sehr viele Schiedsverfahren und staatliche Gerichtsverfahren mit hohen Streitwerten und internationalen Bezügen geführt. Im Rhein-Main-Gebiet haben zahlreiche hoch spezialisierte und international tätige Anwaltskanzleien ihren Sitz. Im Rahmen der staatlichen Justiz haben wir mit der Kammer für internationale Handelssachen beim Landgericht Frankfurt bereits vor Jahren die Möglichkeit eröffnet, über grenzüberschreitende Streitigkeiten auch in Englisch zu verhandeln. Dank der hervorragenden Infrastruktur, insbesondere auch dem Frankfurter Flughafen, und seiner zentralen Lage innerhalb der Europäischen Union ist Frankfurt optimal erreichbar für Parteien aus aller Welt.“

Generalsekretärin Dr. Ramona Schardt bestätigte die Bedeutung des Schiedsstandortes Frankfurt am Main, der in den letzten Jahren bei den DIS-Verfahren der am häufigsten gewählte Schiedsort war.
 
Am Landgericht Frankfurt wurde bereits im Jahr 2018 eine Kammer für internationale Handelssachen eingerichtet. Dafür wurden drei zusätzliche Richterstellen geschaffen. Die Kammer bietet einen attraktiven Gerichtsstand für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten englischsprachiger Parteien, der es ihnen ermöglicht, an Deutschlands verlässlichen und raschen Verfahren der Streitbeilegung und hoch effizienten Vollstreckungsverfahren zu partizipieren. Soweit eine Handelssache einen internationalen Bezug aufweist und die Parteien übereinstimmend erklären, dass sie die mündliche Verhandlung in englischer Sprache führen wollen und auf einen Dolmetscher verzichten, wird die mündliche Verhandlung bei dem Landgericht Frankfurt vor der Kammer für internationale Handelssachen in englischer Sprache geführt. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze der Zivilprozessordnung.

Hessen wird Möglichkeiten zur Einrichtung von Commercial Courts nutzen

Am 16. August 2023 hat die Bundesregierung einen Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit („Justizstandort-Stärkungsgesetz“) verabschiedet. Das Gesetz soll bessere Rahmenbedingungen für einen attraktiven Justizstandort Deutschland schaffen. Die Länder sollen dafür unter anderem die Befugnis erhalten, bei ausgewählten Landgerichten Zivilkammern und Kammern für Handelssachen zu bestimmen, bei denen bestimmte Verfahren vollständig – nicht nur die mündliche Verhandlung – in englischer Sprache geführt werden können. Weiterhin soll den Ländern auch die Befugnis eingeräumt werden, einen Commercial Court an einem Oberlandesgericht einzurichten. Dabei handelt es sich um einen oder mehrere Zivilsenate, vor dem bzw. vor denen Wirtschaftsstreitigkeiten ab einem Streitwert von einer Million Euro erstinstanzlich geführt werden könnten.
 
„Mit dem nun vorgelegten Regierungsentwurf zur Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch sollen für die staatlichen Gerichte die Bedingungen dafür geschaffen werden, Wirtschaftsstreitigkeiten umfassender auf internationale Parteien auszurichten. Dafür soll den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Verfahren für die Gerichtssprache Englisch zu öffnen. Ich begrüße die vorgesehenen Änderungen. Sie sind geeignet, die staatliche Justiz in Deutschland international konkurrenzfähiger zu machen. Für die hessische Justiz kann ich schon jetzt ankündigen, dass wir die Möglichkeiten nutzen werden. Der Justizstandort Frankfurt wird bei den vorgesehenen Commercial Courts eine zentrale Rolle spielen“, erläuterte der Minister.
 
Am 18. April 2023 hat das Bundesministerium der Justiz außerdem ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts vorgelegt. Das Schiedsverfahrensrecht soll in Einzelheiten an die Bedürfnisse der heutigen Zeit und internationaler Handelsverflechtungen angepasst werden, um die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort weiter zu stärken. Das Eckpunktepapier enthält dafür zwölf konkrete Vorschläge sowie weitere Reformideen.
 
Nach dem Eckpunktepapier können die Länder die Commercial Courts auch für etwaige Folgestreitigkeiten aus einem Schiedsverfahren (zum Beispiel Anträge auf Vollstreckbarerklärung oder auf Aufhebung von Schiedssprüchen) für zuständig erklären. Zudem sollen die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, diese schiedsgerichtlichen Verfahren vor den Commercial Courts im Einverständnis der Parteien vollständig in englischer Sprache zu führen.
 
„Im Wirtschaftsverkehr steht es den Parteien grundsätzlich frei, welche Form der Streitbeilegung gewählt wird. Beide Möglichkeiten der Streitbeilegung brauchen gute und international konkurrenzfähige rechtliche Bedingungen. Nicht nur die staatlichen Gerichte, sondern auch die Schiedsgerichte benötigen einen modernen rechtlichen Rahmen. Daher befürworte ich die Diskussion auf Bundesebene über Reformen des 10. Buches der ZPO. Die letzte Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts liegt nun 25 Jahre zurück. Seitdem haben sich zahlreiche neue Entwicklungen aufgezeigt, die eine Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts erforderlich machen. Das Eckpunktepapier enthält dafür wichtige Ansätze, etwa zur gerichtlichen Überprüfung von schiedsgerichtlichen Entscheidungen. Um international wettbewerbsfähig zu sein, ist insbesondere die Förderung der englischen Sprache in gerichtlichen Verfahren von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus ist die angestrebte Modernisierung der Schiedsverfahren durch Schaffung einer expliziten gesetzlichen Grundlage für die mündliche Verhandlung vor Schiedsgerichten im Wege der Videokonferenz einschließlich der Möglichkeit zur Aufzeichnung der per Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung positiv zu bewerten. Und auch eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit von Sondervoten halte ich für sinnvoll, um Unsicherheiten zu beseitigen“, sagte Justizminister Roman Poseck abschließend.