Hessens Justizminister Roman Poseck hat die Koordinierungsstelle „Virtuelles Haus des Jugendrechts“ bei der Staatsanwaltschaft Fulda besucht und sich bei dem Leitenden Oberstaatsanwalt Patrick Liesching über deren Arbeit informiert. Dies nahm der Minister auch zum Anlass, um allgemein über die Bekämpfung von Jugendkriminalität in Hessen zu sprechen.
Justizminister Roman Poseck erklärte: „Die Häuser des Jugendrechts haben sich in Hessen hervorragend bewährt. Sie tragen dazu bei, Jugendkriminalität effektiv zu bekämpfen und kriminelle Karrieren frühzeitig zu verhindern. In den Häusern des Jugendrechts arbeiten unter anderem die Polizei, Staatsanwaltschaft und die Jugend(gerichts-)hilfe zusammen. Die Koordinierungsstelle ‚Virtuelles Haus des Jugendrechts‘ der Staatsanwaltschaft Fulda ist dabei ein weiterer Baustein zur Fortschreibung der Erfolgsgeschichte der Häuser des Jugendrechts auch im ländlichen Raum.“
Ganzheitlicher Ansatz bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität
Um die behördenübergreifende Zusammenarbeit zu optimieren, eine schnelle und gründliche Bearbeitung von jugendstrafrechtlichen Verfahren zu unterstützen und die Verfahrensdauern zu verkürzen, sind Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugend(gerichts-)hilfe, zum Teil auch unter Einbeziehung von freien Trägern, in den Häusern des Jugendrechts „unter einem Dach“ tätig. Auf diese Weise wird eine schnelle und ganzheitliche Reaktion der staatlichen Instanzen unter Ausschöpfung aller nicht nur im Jugendgerichtsgesetz, sondern zum Beispiel auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz vorgesehenen Möglichkeiten erreicht. Das erste Haus des Jugendrechts in Hessen nahm am 1. Februar 2010 seine Tätigkeit in Wiesbaden auf. Seitdem wurden und werden kontinuierlich weitere Häuser des Jugendrechts eingerichtet. Allein in der Stadt Frankfurt sind inzwischen bereits 4 Häuser des Jugendrechts tätig und decken das gesamte Stadtgebiet ab. Neben Frankfurt und Wiesbaden sind auch in Kassel und Offenbach Häuser des Jugendrechts eingerichtet worden. Ein weiteres Haus des Jugendrechts wird in den nächsten Wochen in Hanau eröffnet.
Die Koordinierungsstelle „Virtuelles Haus des Jugendrechts“ bei der Staatsanwaltschaft Fulda hat am 15. Dezember 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Hierbei handelt es sich um die erste Einrichtung, die rein virtuell arbeitet. Die Koordinierungsstelle ist eine institutionalisierte Anlaufstelle für alle den Bereich des Jugendrechts betreffenden Fragestellungen. Hier findet nicht nur ein Austausch der Akteurinnen und Akteure im Bereich des Jugendrechts statt, sondern es werden auch Präventionsund Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. Im Herbst 2022 konnte etwa ein Präventionsprojekt, ein Achtsamkeitstraining für straffällig gewordene Jugendliche, mit 5 Terminen verwirklicht werden. Ein weiterer Durchlauf mit ebenfalls 5 Terminen wurde im Juni und Juli dieses Jahres erfolgreich zum Abschluss gebracht. Im Herbst 2023 soll es ein erneutes Training geben.
Derzeit wird in der Koordinierungsstelle zudem gemeinsam mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Gefahren für Jugendliche durch Kriminalität im Cyberraum“ vorbereitet. Bei den Stellen im Bereich des Jugendrechts soll ein noch detailliertes Verständnis dafür geschaffen werden, welche Tatgelegenheiten das Internet für Jugendliche bietet und welchen Gefahren Jugendliche bei der Nutzung von Internetkommunikation ausgesetzt sind. So soll es in der Veranstaltung unter anderem um Handelsplattformen im sog. „Darknet“, die sog. „Underground Economy“, Kinder- und Jugendpornografie sowie um das sog. „Cybergrooming“ gehen. Damit neue Entwicklungen berücksichtigt werden können, könnten die Veranstaltungen künftig regelmäßig wiederholt werden und auch an anderen Standorten angeboten werden.
Studien belegen geringere Rückfallquote
„Die Bekämpfung der Jugendkriminalität in Hessen ist mir ein wichtiges Anliegen. Es liegt in unser aller Interesse, kriminelle Karrieren junger Menschen so früh wie möglich abzubrechen. Die Zahl an Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende hat sich zuletzt erhöht. Auch wenn das Ende der Corona-Pandemie, während derer einige jugendtypische Verfehlungen nicht oder nur eingeschränkt vorgekommen sind, eine Ursache für diesen Anstieg ist, zeigt die Entwicklung, dass die Bekämpfung der Jugendkriminalität besondere Aufmerksamkeit und einen umfassenden Ansatz braucht.
Dabei waren auch in den Häusern des Jugendrechts höhere Eingangszahlen zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr sind in den sieben Häusern des Jugendrechts insgesamt 11.821 Verfahren eingegangen (2021: 9.603). Damit sind die Eingänge hier in einem Jahr um 23% gestiegen. Erfreulich ist, dass die Zahl der Erledigungen sogar um 30% erhöht werden konnte. So wurden im Jahr 2021 noch 9.489 Verfahren erledigt, während sich die Zahl im Jahr 2022 auf 12.361 Verfahren belaufen hat.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Häusern des Jugendrechts ermöglicht eine ressortübergreifende und damit ganzheitliche Bekämpfung der Jugendkriminalität. Jugendliche und junge Erwachsene, die straffällig werden, erhalten auf die Person und den Fall zugeschnittene Unterstützungs- und Präventionsmaßnahmen. Durch die räumliche Nähe der beteiligten Akteure und die damit verbundenen kurzen Wege können Abstimmungen schneller folgen und Ermittlungsverfahren beschleunigt werden. Studien, die eine geringere Rückfallquote nach der Bearbeitung der Verfahren in Häusern des Jugendrechts ergeben haben, bestätigen den Erfolg dieses Ansatzes.
„Mit der Koordinierungsstelle ,Virtuelles Haus des Jugendrechts‘ wurde das Konzept der Häuser des Jugendrechts ergänzt. Sie dient im ländlichen Raum als Anlaufstelle für alle Themenstellungen aus dem Bereich des Jugendstrafrechts und bietet Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen zu aktuellen Themen an. Mein Ziel ist es, auch in der Zukunft weitere Häuser des Jugendrechts in Hessen einzurichten. Die weißen Flecken, die es noch auf der hessischen Landkarte gibt, sollten nach und nach verschwinden. Die Erfahrungen, die hier in Fulda seit Ende 2021 gesammelt werden, können dabei auch Vorbild für andere, eher ländlich geprägte Bezirke in unserem Bundesland sein. Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden für
ihr großes Engagement bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität“, erklärte Justizminister Roman Poseck abschließend.