Vor fünf Jahren hat das Netzwerk Deradikalisierung im Strafvollzug (NeDiS) seine Arbeit aufgenommen. Damit wurde ein bundesweit einzigartiges Programm aufgelegt, welches sicherstellt, dass Radikalisierungsversuche in Haftanstalten erkannt und verhindert werden.
Justizministerin Eva Kühne-Hörmannerklärte: „Hessen hat sich früh und erfolgreich den Herausforderungen im Umgang mit terroristischen Straftätern und Mitgliedern der Organisierten Kriminalität im Justizvollzug gestellt. Wir haben vor fünf Jahren mit NeDiS auf die zunehmende Anzahl der Personen, die sich aufgrund extremistischer Taten oder Tatvorwürfen in hessischen Vollzugsanstalten befinden reagiert. Darunter sind nicht nur religiös motivierte Straftäter, sondern auch Personen, die einen rechts- oder linksextremistischen Hintergrund haben. In der Zeit der Haft ist es die Aufgabe des Justizvollzuges, einerseits dafür zu sorgen, dass kein Nährboden für die Radikalisierung anderer Inhaftierter entsteht, andererseits aber auch den Weg zurück in die Gesellschaft, in ein Leben ohne Straftaten, anzubieten. Mit dem Programm hat Hessen eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen.“
Problematische Tendenzen sollen frühzeitig erkannt werden
NeDiS zielt zum einen darauf ab, systematisch mit Hilfe der Vollzugsbediensteten und in enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden Radikalisierungstendenzen im Justizvollzug zu identifizieren, zu beobachten und zu analysieren – einschließlich phänomenübergreifender Strukturen, Vernetzungen und Entwicklungen –, um sodann gezielt konkrete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zum anderen sieht das Programm eine Reihe von auf die jeweiligen Extremismusbereiche zugeschnittenen Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen sowie eine umfassende und sorgfältige Entlassungsvorbereitung („zielgruppenorientiertes Übergangsmanagement“) vor.
Eva Kühne-Hörmann erläuterte: „Die im Rahmen von NeDiS eingesetzten Strukturbeobachter tragen sämtliche Erkenntnisse von innerhalb und außerhalb der Anstalt zusammen und bewerten diese. Dazu gehören etwa Verhaltensänderungen, Besuchskontakte oder auch das konkrete Auftreten in der Haftanstalt. Im Bereich der Deradikalisierung wird aber auch mit zivilen Partnern wie dem Violence Prevention Network (VPN) darauf hingearbeitet, dass insbesondere junge Menschen von ihren extremistischen Ansichten ablassen. Die Zusammenarbeit von VPN und Sicherheitsbehörden, Seelsorgern und sozialer Betreuung ist hierbei besonders wichtig, um sich umfassend auf das Phänomen radikalisierter Gefangener einzustellen.“
„Daran wollen wir auch künftig weiterarbeiten, denn die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass man mit gezielten Maßnahmen etwas erreichen kann. Im nächsten Schritt gilt es, die aufgebauten Strukturen zu konsolidieren und Schritt um Schritt auszubauen. Da extremistische Strömungen und mit ihnen die entsprechenden Gefangenengruppen ständigen Veränderungen unterworfen sind, gilt es, das vorhandene Konzept anzupassen und etwa durch gezielte Diagnostik ein noch differenzierteres Bild der individuellen Radikalisierungsursachen zu bekommen, um hierauf jeweils passgenau reagieren zu können“, so die Justizministerin abschließend.
Hintergrund:
Zu den Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen gehören neben der allgemeinen Behandlung im Vollzug, etwa Behebung von Bildungs- und Ausbildungsdefiziten, im Bedarfsfall individuelle Psychotherapie zur Bearbeitung persönlicher Defizite und krimineller Persönlichkeitskonstellationen, Anti-Gewalttrainings sowie Rechtsstaatskunde und Wertevermittlung („Schule des Respekts“), die Zusammenarbeit mit freien Trägern, die in der Deradikalisierung tätig sind und Gruppen- und Einzelmaßnahmen sowie Aussteigerprogramme anbieten, ferner Programme zur Vermittlung politischer und kultureller Bildung, Medienkompetenz, Medienprojekte sowie die regelmäßige Fortbildung und Sensibilisierung sämtlicher Vollzugsbediensteten.