Am 1. Juni 2021 nimmt die Europäische Staatsanwaltschaft die Arbeit auf. Auch in Frankfurt am Main werden Delegierte Europäische Staatsanwälte tätig sein und Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union verfolgen.
Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann begrüßte den Arbeitsbeginn der europäischen Behörde in Frankfurt: „Die neue Behörde ist ein Novum in der Europäischen Union. Zuvor war es keiner europäischen Institution möglich, Straftaten selbständig zu ermitteln und verfolgen. Die Europäische Staatsanwaltschaft ist befugt, bei allen Amts- und Landgerichten der Bundesrepublik Deutschland Anklage zu erheben und Strafverfahren zu führen. Ich freue mich, dass ein Standort der Delegierten Staatsanwälte in Frankfurt am Main errichtet worden ist. Dies unterstreicht die Bedeutung des Wirtschafts- und Justizstandorts Hessen.“
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist zuständig für die Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union. Die zentrale Ebene mit Sitz in Luxemburg besteht aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt, der der Leiter der Europäische Staatsanwaltschaft insgesamt sowie des Kollegiums Europäischer Staatsanwälte ist, den Ständigen Kammern und den Europäischen Staatsanwälten. Die Delegierten Staatsanwälte in den Mitgliedsstaaten bilden das Herz der Europäischen Staatsanwaltschaft. In Deutschland sind diese verteilt auf fünf Zentren in Berlin, Hamburg, Köln, München und Frankfurt am Main. In Deutschland sind es elf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, in allen beteiligten Mitgliedstaaten derzeit 88.
Europäische Staatsanwaltschaft in Frankfurt
„Ich bin sehr dankbar, dass auch eine Oberstaatsanwältin und eine Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Frankfurt für die Europäische Staatsanwaltschaft in Frankfurt tätig sein werden. Diese sind für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren aus den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig. Dazu kommt eine Oberstaatsanwältin vom Generalbundesanwalt, die originär für die Bearbeitung von Revisionen in Verfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft zuständig ist, zunächst aber auch Ermittlungsverfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft aus Baden-Württemberg übernimmt“, so Eva Kühne-Hörmann, die weiter ausführte: „Ich bin sicher, dass in Frankfurt eine schlagkräftige Truppe aus erfahrenen Staatsanwältinnen zusammengestellt wurde, die die wichtigen Aufgaben der Europäischen Staatsanwaltschaft übernehmen werden. Der Schutz der Finanzen der Europäischen Union war noch nie so essentiell wie jetzt. Es muss sichergestellt werden, dass jeder Euro in die wirtschaftliche Erholung und Überwindung der Pandemie in Europa investiert wird.“
„Der Europäischen Staatsanwaltschaft und insbesondere den Delegierten Staatsanwältinnen in Frankfurt danke ich für das Engagement für Europa und wünsche ihnen einen erfolgreichen Arbeitsbeginn und jederzeit ein glückliches Händchen bei der neuen Tätigkeit. Der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt danke ich für die herausragende Organisation im Vorfeld und beim Betrieb des Zentrums für Delegierte Europäische Staatsanwälte in Frankfurt am Main“, so die Justizministerin abschließend.
Zum Hintergrund
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist für die strafrechtliche Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zuständig sein, wie sie in der Richtlinie (EU) 2017/1371 vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug (PIF-Richtlinie) definiert sind. Davon sind – mit Einschränkungen bei Taten mit einem Schaden von weniger als 10.000 Euro – betrügerische Handlungen zu Lasten der Einnahmen- oder der Ausgabenseite und der Vermögenswerte des Gesamthaushalts der Europäischen Union einschließlich Finanzoperationen wie Anleihe- und Darlehenstätigkeiten erfasst. Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Fälle des grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs, wenn sich der hierdurch verursachte Gesamtschaden auf mindestens zehn Millionen Euro beläuft.
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist eine Einrichtung der Europäischen Union, die als einheitliche Behörde handelt. Die zentrale Ebene mit Sitz in Luxemburg besteht aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt, der der Leiter der Europäische Staatsanwaltschaft insgesamt sowie des Kollegiums Europäischer Staatsanwälte ist, den Ständigen Kammern und den Europäischen Staatsanwälten. Die dezentrale Ebene besteht aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten, die in den Mitgliedstaaten angesiedelt sind. Letztere werden ab dem 1. Juni 2021 die Ermittlungsverfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft führen und gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten zur Anklage bringen.
Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte sind deutschen Staatsanwälte verfahrensrechtlich im Wesentlichen gleichgestellt. Sie bleiben als Sonderberater auch weiterhin Staatsanwälte nach nationalem Recht und haben damit einen Doppelstatus. In der Bundesrepublik Deutschland wurde dies über eine Zuweisung an die Europäische Union umgesetzt. Sie sind befugt, bei allen Amts- und Landgerichten der Bundesrepublik Deutschland Anklage zu erheben und Strafverfahren unter Einschluss von Rechtsmittelverfahren bei allen Strafgerichten aller Instanzen zu führen, wobei im Hinblick auf etwaige Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof dem Generalbundesanwalt eine Stelle eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts zur Verfügung gestellt wurde. Nach Rechtskraft des jeweiligen Urteils endet die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft. Die Vollstreckung der Urteile wird durch die für den Sitz des Gerichts erster Instanz zuständige Vollstreckungsbehörde erfolgen.