Auf Einladung des hessischen Justizministers nehmen heute ca. 150 Assessorinnen und Assessoren, also Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Probezeit, an einer zentralen Veranstaltung in der Casino-Gesellschaft in Wiesbaden teil.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung mit dem Titel „Justiz im Gespräch“ stehen ein Festvortrag der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg über Zukunftsfragen der Justiz, persönliche Beispiele für Karrierewege in der Justiz sowie eine Podiumsdiskussion mit Nachwuchskräften. Auch Vertreterinnen und Vertreter aus dem Rechtsreferendariat nehmen an der Veranstaltung teil.
Justiz als attraktiver Arbeitgeber
„Nachwuchskräfte sichern die Zukunft der Justiz. Die Arbeit in den Gerichten und Staatsanwaltschaften wird auch in Zeiten der Digitalisierung Menschenwerk bleiben. Deshalb ist es immens wichtig, dass wir auch in der Zukunft qualifizierte Juristinnen und Juristen für die Justiz gewinnen können. Mit der Veranstaltung wollen wir ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Nachwuchs setzen, die Identifikation mit der Justiz steigern und konkret darüber diskutieren, welche Stellschrauben wichtig sind, damit die Justiz im Wettbewerb um die besten Köpfe erfolgreich bleiben kann. 2022 haben 138 Juristinnen und Juristen den Weg in die unterschiedlichen Bereiche der hessischen Justiz gefunden. Diese Zahl belegt, dass eine Tätigkeit in der Justiz nach wie vor viele junge Menschen anzieht.
Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Attraktivität der Justiz als Arbeitgeber weiter zu erhöhen. Die deutlichen Besoldungsverbesserungen in der R-Besoldung ab dem 1. April sind eine von vielen Maßnahmen. Durch 100 zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Doppelhaushalt 2023/2024 ist der personelle Bedarf noch einmal gestiegen. Wir wollen auch die neuen Stellen so schnell wie möglich mit qualifiziertem Personal besetzen. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften benötigen eine bessere personelle Ausstattung, um allen Anforderungen gerecht werden zu können und die in Teilen zu hohe Belastung zu senken“, führte der hessische Justizminister Roman Poseck heute in Wiesbaden anlässlich der Eröffnung der Veranstaltung aus.
Konkrete Maßnahmen
Die nachfolgenden Maßnahmen sind in Hessen in den letzten Monaten konkret ergriffen worden, um im Wettbewerb um Nachwuchskräfte erfolgreich zu sein und den hohen personellen Bedarf zu decken:
- Schaffung von fast 500 Stellen im Doppelhaushalt 2023/2024 zur Absenkung der Belastung. Darunter sind 100 Stellen für Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Schwerpunkt sind die Staatsanwaltschaften mit 37 Stellen und die ordentliche Gerichtsbarkeit mit 59 Stellen.
- Erhöhung der R-Besoldung zum 1. April, insbesondere durch Streichung von 2 Erfahrungsstufen. Hessen rückt damit bei den Einstiegsgehältern von Platz 13 auf Platz 2 vor und zahlt im Jahr 2.235,66 Euro mehr als im Bundesschnitt. Bei den Endgehältern rückt Hessen auf Platz 5 vor. Die Besoldungsverbesserung wird auch auf mehr als 60% der bereits tätigen Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte übertragen.
- Beschleunigung der Einstellungsverfahren und Verkürzung von Wartezeiten. Der Richterwahlausschuss hat seine Sitzungsfrequenz in diesem Jahr erhöht. Durch die Einführung der sog. „Assessorbrücke“ können Volljuristinnen und Volljuristen bereits vor der Einstellung in den Richter- und Staatsanwaltsdienst mit einem befristeten Arbeitsvertrag beim Land Hessen tätig sein.
- Bessere Einarbeitungsbegleitung. Für die ordentliche Gerichtsbarkeit ist ein flächendeckendes Mentorenprogramm geschaffen worden. Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger sollen in der Einarbeitungszeit Unterstützung erhalten, um die Abläufe und die Strukturen schneller kennenzulernen.
- Direkte Kommunikation. Veranstaltungen mit Assessorinnen und Assessoren sowie Gespräche, unter anderem Besprechungen mit allen Nachwuchskräften bei den Besuchen der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch den Minister.
- Moderate Absenkung der Notenanforderungen. Seit Ende 2022 können 15 Punkte in beiden Examen statt wie bisher 16 Punkte für die Einstellung in die hessische Justiz ausreichen.
- Berücksichtigung der Verwendungswünsche der Bewerberinnen und Bewerber, soweit möglich. Örtliche Wünsche können zu ca. 90% im Einstellungsverfahren umgesetzt werden. Auch bei der Lebenszeiternennung kann den örtlichen Wünschen ganz überwiegend Rechnung getragen werden. Auch die Verwendungswünsche im Hinblick auf die Gerichtsbarkeit oder die Staatsanwaltschaft finden zumeist Beachtung.
- Tag des Rechtsstaates. Mit dieser neuen Veranstaltungsreihe wird bereits Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit eröffnet, Einblicke in die Justiz zu erhalten und die vielfältigen Justizberufe kennenzulernen. Nach der Auftaktveranstaltung in Frankfurt finden nun hessenweit weitere Veranstaltungen statt.
- Teilnahme an Messen. Das Hessische Ministerium der Justiz nimmt regelmäßig an verschiedenen Veranstaltungen, etwa an den Fakultätskarrieretagen der Universitäten Frankfurt am Main und Marburg oder an der JURAcon teil. Zudem werden fortlaufend eigene Informationsveranstaltungen für Referendarinnen und Referendare angeboten.
- Frühzeitige Bindung an die Justiz. Im Referendariat soll eine Justizassistenz eingeführt werden. Das Konzept ist erstellt; nun sollen die Gremien beteiligt werden. Eine Einführung ist bis zum Sommer beabsichtigt. Ziel ist es, dass die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bereits im juristischen Vorbereitungsdienst eigenständig Aufgaben bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft übernehmen und sich mit den Abläufen vertraut machen.
- Verbesserungen im Referendariat. Seit November 2019 werden Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare in Hessen als Beamte auf Widerruf eingestellt. Seit Januar 2023 kann der juristische Vorbereitungsdienst auch in Teilzeit absolviert werden. Referendarinnen und Referendare erhalten Dienstnotebooks und kostenfreie Zugänge zu beck-online und Juris.
- Hinausschieben des Ruhestandes. Der hessische Landtag hat in der vergangenen Woche eine Änderung des Richtergesetzes verabschiedet. Damit ist ein Hinausschieben des Ruhestandes um ein Jahr zukünftig möglich.
- Modernisierung der Arbeitsbedingungen durch voranschreitende Digitalisierung. Die Umstellung auf die elektronische Akte wird in den Zivilverfahren der Landgerichte und in der Sozialgerichtsbarkeit in den nächsten Wochen abgeschlossen sein. Danach kommen die Amtsgerichte und andere Fachgerichtsbarkeiten an die Reihe. Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens.
Ziel: Ein Spitzenplatz im Ländervergleich
„Diese Maßnahmen sind nicht abschließend. Wir arbeiten tagtäglich daran, weitere Maßnahmen hinzuzufügen. Dabei sind die Anregungen aus dem Kreis der Nachwuchskräfte wichtig, da sie Impulse aus ihrer eigenen Erfahrungswelt geben können und auch Multiplikatoren gegenüber anderen jungen Menschen sind. Über all diesen Maßnahmen steht selbstverständlich, dass die hessische Justiz an erster Stelle eine verantwortungsvolle, gesellschaftlich bedeutsame, vielseitige und unabhängige Tätigkeit bietet. Diese Tätigkeitsbeschreibung ist neben allen ergriffenen Maßnahmen zweifellos der wichtigste Werbefaktor. In puncto Gehalt werden wir auch weiter nicht mit Großkanzleien mithalten können. Mein Anspruch ist aber, dass wir bei allen Bedingungen in Hessen im Ländervergleich einen Spitzenplatz einnehmen.
Abschließend möchte ich allen Bediensteten der hessischen Justiz ganz herzlich danken. Sie sichern die Leistungsfähigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Außerdem verbindet sie ein Selbstverständnis und ein berufliches Leitbild, das durch die Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaats getragen wird. Dies gilt für die Nachwuchskräfte, die für uns über alle Maßen wertvoll sind und sich meistens ganz schnell zu Leistungsträgern entwickeln, aber auch für diejenigen, die schon vor vielen Jahren den Weg in die Justiz gefunden haben und die schon seit längerem Garanten unseres Rechtsstaats sind,“ sagte der Minister abschließend.